032 - Töchter der Nacht
dem Schalter.
»Hat Mr. Price das Wechselgeld auch eingesteckt?« fragte Jim liebenswürdig.
»Ja, ich gab ihm einen Dollar fünfzig. Ich sah deutlich, wie er es einsteckte.«
»Er gab Ihnen doch einen Zehndollarschein?« fragte Jim aufs Geratewohl.
»Ja, das Telegramm kostete acht Dollar fünfzig«, bestätigte der Telegrafist geduldig.
Jim dankte ihm.
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte Margot verwundert, als sie wieder auf dem Deck standen.
»Ich wollte wissen, wie lang ungefähr das Telegramm war. Und vor allem natürlich, ob er überhaupt eines aufgegeben hat.
Er bezahlte acht Dollar fünfzig, infolgedessen muß es ungefähr vierzig Wörter enthalten haben. Das ist schon ein recht langes Telegramm. Sie müssen ihn überfallen haben, als er die Treppe herunterkam. Ich kann nur sagen, Mr. Price hatte Glück, daß sie ihn nicht gleich über Bord warfen!«
»Jim, ich möchte dich noch etwas fragen. Wenn alles so geht, wie wir es wünschen, und du deinen guten Namen wiederhergestellt hast, wie lange wird es dauern, bis du...«
Es fiel ihr zu schwer, den Satz zu beenden.
»Ich werde dich heiraten, so schnell wie möglich, selb st wenn ich mir das Geld von dir borgen muß, um die Lizenz und den Pfarrer zu bezahlen.«
23
Es blieben noch zwei Tage, vielleicht auch noch ein weiterer halber Tag, und in dieser Zeit wollte Jim sein Ziel erreichen. Margot zweifelte nicht, daß es ihm gelingen würde, aber sie schwebte doch in beständiger Furcht und Aufregung.
Am nächsten Morgen begab sie sich sofort nach dem Frühstück an Deck, und der erste, den sie sah, war Mr. Price, der ruhig in seinem Deckstuhl saß und in einem Buch las. Er legte die Hand an seinen Verband, um zu grüßen.
»Es tut mir leid, daß ich Sie gestern abend so erschreckt habe! Es war wirklich unvorsichtig von mir, mich da oben auf dem dunklen Bootsdeck herumzutreiben.«
»Sie meinen, wenn Sie besser aufgepaßt hätten, würden Sie sich nicht verletzt haben?«
Er lachte, verzog aber sogleich das Gesicht, denn die Erschütterung verursachte ihm Schmerzen.
»Ihr Freund scheint Sie davon überzeugt zu haben, daß mich jemand angegriffen hat? Aber glauben Sie mir, meine liebe Miss Cameron, das stimmt nicht. Die Schreie, die Sie hörten, stammten wahrscheinlich von jungen Leuten, die sich auf der anderen Seite des Decks vergnügten und Unfug trieben. Ich habe sie selbst schon am Abend Schreie ausstoßen hören und war anfänglich auch sehr erschrocken darüber.«
»Sie wurden also doch angegriffen! Mr. -, ich meine, mein Freund hat ja gar nicht davon gesprochen, daß er Schreie gehört habe«, entgegnete sie hartnäckig. »Sie wurden niedergeschlagen, nachdem Sie ein langes Radiotelegramm nach New York gesandt hatten.«
Er ließ das Buch, das er in Händen hielt, plötzlich fallen und sah sie mit halbgeschlossenen Augenlidern an.
»Sie sind doch nicht Miss Withers?« fragte er leise und bestürzt.
Sie schüttelte den Kopf.
»Wer ist denn überhaupt Miss Withers?« fragte sie. »Ach, jetzt weiß ich es. Das ist diese Detektivin. Mr. . . .« Sie biß sich auf die Zunge, sonst hätte sie tatsächlich Bartholomews Namen genannt. »Mr. Wilkinson hat mir von ihr erzählt.«
»Ja, Agnes Withers heißt diese Frau - ich erinnere mich undeutlich«, antwortete er, wieder völlig gefaßt. »Sie muß in irgendeinem großen Prozeß eine Rolle gespielt haben. Wahrscheinlich hat sie als Detektivin ein Verbrechen aufgeklärt. Nein, ich meinte jedoch eine ganz andere Miss Withers, eine alte Freundin von mir - eine Tante...«
Major Pietro Visconti kam in diesem Augenblick vorbei und nahm Margot zu einem kurzen Spaziergang mit.
»Ich kann den Pfaffen nicht leiden, ich habe ihn noch nie gemocht.« Er zwirbelte energisch seinen kleinen Schnurrbart. »Es sind Wölfe in Schafskleidern, und sie sind sehr verderblich für die Jugend!«
Später traf sie Visconti noch einmal, als sie in ihrem Stuhl auf dem Promenadendeck saß. Er setzte sich neben sie in Mrs. Markhams Sessel und sprach von Italien und Mailand, wo er zu Hause war. Dann erzählte er von seiner Karriere, die er während des Weltkrieges in der Armee gemacht hatte, und wußte so viele Einzelheiten über Washington zu berichten, daß sie ihn fragte, ob er schon dort gewesen sei.
Er nickte.
»Mehrmals, aber in untergeordneter Stellung. Jetzt bin ich Attaché der größten kriegerischen Nation der Erde.«
Sie lächelte, aber er erinnerte sie daran, daß die Römer die anderen Völker m der
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