032 - Töchter der Nacht
Leute in Scotland Yard nicht glauben, daß Sie den Mord begangen oder das Diamantenhalsband gestohlen haben. - Mein Kamerad hier an Bord hat übrigens einen ganz ausführlichen telegrafischen Bericht erhalten. Sie können nichts Besseres tun, Mr. Bartholomew, als mir alles zu sagen, was Sie wissen. Sie haben nicht mehr lange Gelegenheit dazu, denn morgen komme ich nicht mehr in den Maschinenraum hinunter. Ich habe mich vollkommen davon überzeugt, daß sich keiner der Verbrecher, die wir verfolgen, unter der Schiffsbesatzung befindet.«
Jim konnte nichts gewinnen oder erreichen, wenn er schwieg oder Ausflüchte machte. Deshalb erzählte er alles bis in die letzten Einzelheiten. Eine ganze Stunde saßen die beiden zusammen. Gelegentlich stellte der Kriminalbeamte eine Frage, und als sie sich zum Schluß erhoben, klopfte er Jim auf die Schulter.
»Es wird jemand verhaftet, bevor der Dampfer den Hudson River erreicht - möglicherweise sind Sie es.«
»Nun, es würde mir auch leid tun, wenn Sie ohne Ergebnis nach Hause zurückkehren müßten.«
22
Das ewige Einerlei des Schiffslebens fiel Margot Cameron auf die Nerven. Ungeduldig wartete sie auf die Stunde, in der sie Jim treffen konnte.
Wie immer ging sie zum dunkelsten Teil des Promenadendecks und lehnte sich an die Reling. Gleich darauf kam Jim, wie gewöhnlich im Abendanzug.
»Wie geht es dir?« fragte sie atemlos und lehnte sich an ihn. »Wie geht es mit deiner Arbeit? Ich meine, mit der Aufklärung all der Geheimnisse?«
»Meiner Meinung nach gut.« Er sah sich um. »Dieser verdammte Obersteward wird mich hier sehen. Er ist der letzte, den ich treffen möchte, denn er kennt mich unglücklicherweise. Komm dort die Treppe hinauf, wir wollen aufs Bootsdeck gehen.«
Sie legte ihren Arm in den seinen.
Der Weg nach oben führte über eine enge, steile Treppe. Jim ging voraus. Oben schlenderten einige Paare an ihnen vorüber.
Zwischen zwei Booten befand sich eine schmale Plattform, von der aus das Herablassen dirigiert werden konnte. Dort traten sie an das äußere Geländer.
»Erzähle mir alles, was sich ereignet hat«, bat sie, und er berichtete ihr wahrheitsgetreu alles bis zur Entdeckung der Leiche Sandersons.
»Eins kann ich nicht verstehen. Warum mag wohl Cecile an der kleinen Bahnstation ausgestiegen und in ihrem Auto weitergefahren sein? Warum hast du das Frank nicht erzählt?«
»Ich war eigentlich davon überzeugt, daß er es wußte«, versicherte Jim. »Es kam mir ja selbst so sonderbar vor.
Hat sie denn schon vor ihrem plötzlichen Entschluß etwas davon gesagt, daß sie nach Schottland fahren möchte?«
»Nein, das kam alles bei der Unterredung heraus, die sie mit Frank in seinem Arbeitszimmer hatte. Es muß sich um sehr ernste Dinge gehandelt haben, denn Frank sah angegriffen und müde aus, als er herauskam, und die arme Cecile war bleich und verstört. Aber - du hast mir noch nicht alles erzählt?«
»Nein«, gab er zu, doch dauerte es einige Zeit, bis er wieder zu sprechen begann. »Es handelt sich um zwei verschiedene Dinge. Die eine Sache will ich dir erzählen, die andere halte ich für später zurück. Über das, was sich ereignete, nachdem der Polizeiinspektor mich mit dem Toten zurückließ, will ich vorläufig nicht sprechen. Aber etwas anderes will ich dir mitteilen, und vielleicht kannst du mir bei der Lösung des Geheimnisses helfen. - Als ich mich über Sanderson beugte, sah ich, daß er ein Stück Papier in der Hand hielt. Ich öffnete seine Hand gewaltsam und entdeckte die Ecke einer Fotografie. Jemand muß den übrigen Teil abgerissen haben.«
»Was für eine Fotografie war es denn?« fragte sie schnell.
»Das kann ich nicht sagen. Es war nur eine Ecke, auf der eine Frauenhand zu sehen war. «
»Kannst du sie nicht genauer beschreiben?«
»Es war eine Frauenhand, an der sich ein Ring befand.«
»Doch nicht etwa die ›Töchter der Nacht‹?« Margot faßte seinen Arm.
»Ja, dieser Ring war es.«
»Cecile! Das ist ihr Ring - und doch . . .«
»Ich konnte mich nicht irren«, fuhr Jim fort. »Als ich an Bord des Schiffes kam, lieh ich mir vom Chefingenieur ein Vergrößerungsglas, und so erkannte ich alle Einzelheiten.«
Sie schwieg, während sie sich über die Reling lehnten und beobachteten, wie die großen Schaumblasen auf dem Wasser vorübertanzten.
»Willst du mir nicht auch erzählen, was du sonst noch erlebt hast?«
»Nur noch das - ich kam in Southampton bei Tagesanbruch an und ging an Bord. Ich kenne den
Weitere Kostenlose Bücher