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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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sehr gefährdet, falls sie fiel - abgesehen von Schrammen, an die sie gewohnt war. Sie hätte den einen oder anderen Blick riskieren und etwas Aufmerksamkeit darauf verwenden können, zu sehen, was Ann und Deri taten, doch das wollte sie nicht wissen. Auf diese Weise würden ihre Reaktionen echt sein, falls Deri ihr gegenüber Ann erwähnte oder umgekehrt. In den ersten Minuten musste sie die natürliche Neugier bezwingen, doch danach war sie
    in den Ablauf und Rhythmus ihrer Darbietung vertieft und sich der beiden Menschen auf dem Hof überhaupt nicht mehr bewusst.
    Nachdem sie ihre übliche Routine absolviert und einen der schwierigeren Teile zwei Mal wiederholt hatte, begann sie, an etwas Neuem zu arbeiten. Sie meinte, es würde sowohl für sie als auch die Zuschauer aufregend sein, von einem Ende des Seils zum anderen Räder zu schlagen. Mehr als einmal hatte man ihr gesagt, das sei unmöglich, weil ihre Bewegungen das Seil zum Schwingen bringen würden, so dass sie es mit den Füßen nicht mehr träfe. Das hatte sich tatsächlich als wahr erwiesen, doch sie versuchte, eine neue Möglichkeit zu erkunden, wie sie die Hände platzieren musste. Sie glaubte fest daran, dass sie entweder eine Möglichkeit fand zu beurteilen, wo das Seil war, wenn ihre Füße herunterkamen, oder dass sie lernen konnte, sich hochzustemmen und ein Rad zu schlagen, ohne dabei das Seil zu bewegen. Ihre Hoffnung wurde dadurch genährt, dass sie es geschafft hatte, erst ein Rad und dann zwei weitere Räder zu schlagen und beim dritten Rad spürte, dass ihre Zehen das Seil gestreift hatten, ehe sie zu Boden gefallen war.
    Der Schrei einer Frau und die Ausrufe zweier Männer hatten ihren Sturz begleitet und ihr resignierendes „Au!" beim Aufprall übertönt. Sie machte jedoch eine Rolle, kam auf die Füße und rieb sich noch die geprellten Körperstellen, als Deri,
    „Verdammt, Carys! Was versuchst du zu tun?" schreiend, sie erreichte.
    „Ich versuche, Rad zu schlagen", antwortete sie, von der Frage überrascht. „Du hast mich das doch schon früher versuchen gesehen."
    „Ja, aber dann war es zwei Fuß über der Erde und nicht hoch oben in der Luft!"
    brüllte Deri. „Du Närrin! Willst du dir den Hals brechen?"
    Da Carys festgestellt hatte, dass es sinnlos war, Telor oder Deri, wenn die beiden meinten, sie täte etwas Gefährliches, etwas erklären zu wollen, wiederholte sie nur das, was sie schon viele Male vorher geäußert hatte: „Ich werde mir nicht den Hals brechen, aber ich habe mich hier und da aufgeschrammt. Daher meine ich, dass ich für heute genug getan habe. Bindest du mein Seil ab?"
    „Ja", antwortete Deri brummig. „Und verdammt will ich sein, wenn ich es noch ein weiteres Mal für dich befestige, es sei denn, du versprichst, so etwas nicht wieder zu tun." Er ging auf den Baum zu und rief über die Schulter zurück: „Nicht, dass das zu etwas nütze wäre, denn bestimmt hast du fünf andere Kunststücke parat, die noch schlimmer sind."
    Caiys lachte noch immer, als der Wirt Ann in die Garküche zurückbefahl, wodurch sie zu sich kam und sich dann auf die Unterlippe biss. Der Wirt folgte seiner Tochter nicht in den Laden. Er kam zu Carys und sagte: „Ich werde euch die Kosten für eure Mahlzeiten und Unterkunft erlassen, Seiltänzerin, wenn du zur Essenszeit und vor dem Dunkelwerden dein Seil zwischen meinem Laden und der Schenke spannst und das tust, was du gefahrlos tun kannst. Ich will nicht, dass den Leuten durch den Anblick einer blutigen, auf der Straße liegenden Leiche der Appetit verdorben wird."
    „Das wäre mir recht, guter Mann", erwiderte Carys lächelnd, weil nichts sie mehr erfreute als Bewunderung für ihre Kunst und die Möglichkeit, sie vor einer Zuschauermenge vorzuführen. Dann furchte sie die Stirn. „Ich kann aber mein Einverständnis nicht geben, bis Telor von der Sache gehört hat. Das liegt an der Angelegenheit, die er mit Lord William zu erledigen hat", erläuterte sie, weil sie sah, wie enttäuscht der Wirt wirkte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er oder Lord William etwas dagegen haben, aber ich wage nicht, etwas zu versprechen, ohne mir ganz sicher zu sein."
    Der Einwand führte zu kurzem Nicken. Der Wirt legte ebenso wenig Wert darauf wie sie, sich Lord Williams Zorn zuzuziehen. Er wandte sich ab, um ins Haus zu gehen, doch sie folgte ihm und erkundigte sich noch einmal, jetzt eifriger, nach einem Geschäft, in dem Kleidung verkauft wurde. Er nannte ihr zwei Läden, und sie

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