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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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zurückgekehrt war, und bedeutete Deri, ihm zu folgen. „Lord William spricht deine Sprache, aber manchmal zieht er es vor, mich aus dem Französischen ins Englische übersetzen zu lassen."
    Im Kamin brannte ein kleines Feuer, da es ein nasskalter Abend war, und süß duftende Wachskerzen standen so zahlreich herum, dass die Kammer beinahe sonnendurchflutet wirkte. Lord Williams Stuhl stand neben dem Kamin. Lord William legte ein in steife, vergoldete und mit Juwelen besetzte Lederdeckel gebundenes Buch auf einen kleinen Tisch. Als Deri und der Majordomus sich ihm näherten, bedeutete er dem Haushofmeister mit einem Schnippen seiner beringten Finger, sich zu entfernen.
    Deri hatte nie die Ehrfurcht vor hohen Herren empfunden, die die meisten Gemeinen vor ihnen hatten. Sein Vater
    war nicht zum Ritter geschlagen worden, aber reich gewesen. Dessen Besitz war mehr wert gewesen als der Lohn eines Ritters. Daher hatte Deris Familie mehr Umgang mit den weniger bedeutsamen Rittern und unwichtigeren Baronen der Nachbarschaft gehabt als mit Gemeinen. Dennoch musste Deri, als William of Gloucester ihn anschaute, sich zwingen, steif stehen zu bleiben, nicht zurückzuweichen und den Drang zu unterdrücken, den Blick zu senken. Er ging einen Kompromiss mit sich ein, indem er sich tief verneigte, jedoch nicht das Knie beugte.
    „Du bist sehr kostbar gewandet", bemerkte Lord William.
    Er hatte sehr betont und mit starkem Akzent gesprochen. Deri hatte jedoch keine Mühe gehabt, ihn zu verstehen. „Ich spiele viele Rollen, Lord William", erwiderte er,
    „doch wenn ich ich selbst sein kann, ziehe ich es vor, mich so gut wie möglich zu kleiden. Das ist ein Schutz für jemanden wie mich. Vielleicht erinnerst du dich aus Castle Combe an mich, doch da war ich wie ein Diener angezogen. In der Stadt trage ich, wenn ich für eine Seiltänzerin die Trommel schlage ..."
    „Eine gute Seiltänzerin?" unterbrach Lord William und wirkte dabei sehr interessiert.

    „Eine große Künstlerin", antwortete Deri gelassen, wenngleich er nicht wusste, ob er vor Erleichterung darüber, dass er ihn von sich abgelenkt hatte, weinen oder aus Angst, die Aufmerksamkeit auf Carys gelenkt zu haben, zittern solle. Er kam gar nicht auf den Gedanken, über Carys' Können zu lügen. Man log nicht, wenn diese dunklen Augen auf einen gerichtet waren.
    „Alors, c'est dommage ... äh . . . wie schade, dass ich morgen früh schon sehr zeitig nicht mehr hier sein werde. Aber ich glaube, dass du hergekommen bist, um dich nach deinem . . . äh . . ."
    „Freund zu erkundigen", beendete Deri den abgebrochenen Satz und merkte, dass er in Gedanken die richtigen Worte eingesetzt hatte. „Aber ich werde mir auch Neuigkeiten über Telor anhören, wenn du ihn als meinen Meister und mich als seinen Sklaven bezeichnest."
    „Dann bist du tatsächlich ein guter Freund", meinte Lord William und zog boshaft fragend eine Augenbraue hoch. Da Deri ihn jedoch nur weiterhin erwartungsvoll anschaute,
    zuckte er mit den Achseln und lachte. „Ich werde dir etwas erzählen, wenn du mir sagst, was in Marston passiert ist."
    „Hat Telor dir das nicht berichtet, Herr?"
    „Er hat mir das erzählt, was für meine Zwecke wichtig war. . ." Lord William lachte wieder. „Und, um ehrlich zu sein, auch für seine. Der Rest war nicht wichtig, und ich war beschäftigt, so dass ich mich nicht erkundigt habe. Aber nun habe ich eine Stunde der Muße, und ich glaube, die Geschichte wird mich amüsieren."
    Verzweifelt überlegte Deri, welche Teile der Abenteuer, falls überhaupt, er auslassen solle, und beschloss, das Einzige, was er nicht erwähnen werde, solle der Angriff auf die Soldaten sein. Daher erzählte er alles, was ihm, Telor und Carys widerfahren war, abgesehen von diesem Zwischenfall, und zwar so genau, wie er die Ereignisse seit dem Scharmützel mit den Gesetzlosen außerhalb von Malms-bury bis hin zu der Quartiernahme im Speisehaus in Erinnerung hatte. Hie und da warf Lord William eine Frage ein, doch meistens hörte er nur mit belustigter Miene zu.
    „Das ist wirklich ein Epos, das dein Telor zu einem Lied machen sollte", rief Lord William aus. „Alles, was er tun muss, ist, sich darin in einen Ritter und die Seiltänzerin -ich nehme an, sie ist dieselbe, für die du in der Stadt die Trommel rührst? - in eine hochgeborene, zarte Demoiselle zu verwandeln."
    „Ich vermag nicht zu sehen, wie eine hochgeborene Demoiselle auf Dächer klettert und ..."
    Lord William kräuselte die

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