0322 - Ein Hai zeigt die Zähne
und fuhren los. Was mir Phil unterwegs erzählte, war ein guter Einfall. Auf diese Art hatten wir die größten Aussichten, an Li Hung heranzukommen. Nun, so großartig Phils Einfall auch war, er sollte uns doch noch bittere Stunden bereiten.
***
Bei Anbruch der Dunkelheit steuerte ich meinen Dienstwagen durch die Straßen Chinatowns. Phil saß im Fond des Oldsmobile und klimperte unverdrossen mit der Kette der Handschellen, die seine Gelenke umschlossen. In meinem Schulterhalfter steckte ein 32er Iver-Johnson-Revolver.
Mein Freund musste im Wagen sitzen bleiben, während ich die einzelnen Lokale abklapperte. Überall fragte ich nach Li Hung. Meistens bestand die Antwort in einem Achselzucken. Ein paar Mal nannte man uns die Adresse der Schlosserei in der Bowery. Die Zeit verstrich, ohne dass sich ein Erfolg abzeichnete.
Um 9 Uhr bevölkerten bereits Tausende von festlich gekleideten Chinesen die Straßen. Sie gaben sich ganz besonders als sonst. Mir schien es beinahe so, als sei ihr Aufzug organisiert. Ich hatte das Gefühl, dass etwas in der Luft lag. Als ich zu Phil zurückkam, grinste er.
»Wir haben uns den ungünstigsten Tag ausgesucht, Jerry. Die Chinesen feiern heute das neue Jahr. Bald wird die große Maskenprozession durch Chinatown ziehen.«
»Das ist es also«, sagte ich zerknirscht. »Und ich habe mich schon gewundert, dass heute ein solcher Trubel herrscht Trotzdem bin ich dafür, dass wir weitermachen.«
Phil war meiner Meinung.
Ich bog in die Pell Street ein, in der es von chinesischen Lokalen nur so wimmelte. Zwischen den vornehmsten Restaurants findet man hier auch die verrufensten Kneipen. In einer hatte ich endlich Glück.
Ich fragte einen jungen Chinesen nach Li Hung. Auch er nannte mir erst die Adresse in der Bowery.
»Dort waren wir schon«, knurrte ich. »Li Hung ist spurlos verschwunden. Er soll Besuch gehabt haben, wurde mir gesagt.«
»Was wollen Sie denn von ihm?«, fragte der Chinese lauernd.
»Das kann ich ihm nur selbst sagen, mein Freund. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
Ich holte meine Brieftasche heraus und öffnete sie so, dass er einen Blick hineinwerfen konnte. Er starrte
48 auf das dicke Bündel Banknoten. Ich drückte ihm eine Zehn-Dollar-Note in die Hand.
»Da, trink einen Reiswein, Boy. Kannst du mir einen anderen Schlosser empfehlen, der sein Handwerk versteht und nicht viele Fragen stellt, wenn er ein Geschäft machen kann?«
Er griff gierig nach dem Geld. »Sie sind nicht von der Polizei?«
Ich verschluckte mich an meinem Whisky. »Willst du mich beleidigen? Die Bullen würden uns gerade noch fehlen. Mir können sie zwar nichts anhaben, aber mein Kumpel säße dann böse in der Klemme. Er brauchst schnellstens Hilfe.«
Der Chinese grinste. »Er möchte wohl seinen stattlichen Armschmuck loswerden, wie?«
Ich starrte ihn an. Dann bezahlte ich meinen Whisky und schob mich zum Ausgang. Der Chinese kam mir nach. Auf der Straße packte er meinen Arm.
»Sie können mir vertrauen, Mister. Ich kümmere mich nicht darum, ob auf den Kopf Ihres Freundes eine Belohnung ausgesetzt ist. Ich nehme jedoch an, dass ich richtig getippt habe.«
»Allerdings«, fluchte ich. »Ein Buddy, der im Raymond Street Jail sitzt, hat einem Freund geraten, auf dem Weg zum Gericht die Kurve zu kratzen. Er sollte sofort zu Li Hung gehen, der ihm schon helfen würde. Die Flucht glückte auch, doch er kam erst zu mir. Ich sollte für ihn Li Hung aufsuchen, um das Geschäft anzubahnen. Er kann ja nicht ewig so herumlaufen. Das Geld hatte er am Hafen versteckt. Ich habe es heute morgen geholt. Jetzt brauchen wir nur noch Li Hung.«
»Der Paradiesvogel ist untergekrochen«, sagte der Chinese flüsternd. »Er hat heute Morgen bereits einem Häftling geholfen. Aber es muss dabei etwas schief gegangen sein. Die Bowery ist ihm zu gefährlich. Wenn Sie wollen, übernehme ich den Vermittlungsdienst.«
»Was verlangst du dafür?«
»Zweihundert Dollar.«
»Ihr seid Halsabschneider«, schimpfte ich. »Wie sind denn Li Hungs Preise?«
»Fünfhundert.«
»Das macht zusammen siebenhundert Dollar. Eine schöne Stange Geld. Na, schön, ihr seid eben am Drücker. Hier sind einhundert Bucks. Den Rest bekommst du, wenn wir mit Li Hung einig geworden sind. Wie soll die Sache vor sich gehen?«
»Seien Sie um 11 Uhr im Bloody Angel, Mister. Dort werde ich Ihnen Li Hungs Entscheidung überbringen.«
Ich tat so, als müsse ich nachdenken. Dann seufzte ich.
»All right! Wen du mit dem Geld
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