0322 - Leonardos Höllenwurm
ausgefahren, und ein blonder, hochgewachsener Mann erschien an Deck. »Das ist er«, sagte Zamorra. »Komisch, daß er so spät kommt. Oder habe ich April mißverstanden, als sie sagte, daß er immer viel zu früh erscheint?«
Die beiden offenherzig kostümierten Mädchen stürmten über den Strand, enterten die Yacht und fielen dem Schweden um den Hals. Aber er beachtete sie kaum und kam zur Villa herüber. Er begrüßte April, küßte sie und drückte ihr ein flaches Päckchen in die Hand. Zamorra und Nicole streifte er nur mit einem kurzen Blick, schien sie nicht einmal wiederzuerkennen und schlenderte durch die Menschenmenge hindurch; gut dreißig Gäste mußten inzwischen versammelt sein, und wenn man das Personal hinzurechnete, kam man mühelos auf vierzig. Immer noch trafen Fahrzeuge ein.
Bjern Grym verschwand in Richtung Parkplatz. Suchend sah er sich um und ging zu dem kleinen Wäldchen hinüber. Dann, als gerade kaum jemand auf ihn achtete, ging er zu Aprils Rolls-Royce, stieg ein und startete den Wagen.
Zamorra und Nicole waren ihm halb um die Villa gefolgt.
»Ich weiß zwar nicht, was die beiden miteinander besprochen haben, aber ich glaube kaum, daß es normal ist, wenn er mit seinem Boot kommt, April nur flüchtig begrüßt und dann mit ihrem Wagen wieder abfährt«, sagte Zamorra. »Da ist was faul.« Er fischte den Wagenschlüssel aus der Hosentasche. »Ich fahre mal hinterher.«
»Vielleicht hat April ihm den Rollie wirklich geliehen. Ich frage sie erst einmal«, wandte Nicole ein. Aber Zamorra witterte Unrat. »Tu, was du nicht lassen kannst, und halte hier die Stellung. Ich fahre hinterher.« Er lief zum Maserati hinüber und stieg ein. Augenblicke später fuhr er los. Er hatte das Glück, daß er nicht zugeparkt worden war und sofort wegkam.
Bjern Grym hatte das Zauntor inzwischen passiert und bog auf der Straße nach Norden ein.
Zamorra trat das Gaspedal tief durch. Er wollte am Ball bleiben und wissen, was hier gespielt wurde. Sein sechster Sinn warnte ihn.
***
Bjern Grym fuhr gut einen Kilometer die Straße hinauf und bog dann auf einen Wirtschaftsweg ab, der rechtwinklig in das Wäldchen führte. Zwischen den Bäumen parkte der schwarze Cadillac. Grym wendete den Rolls-Royce vorsichtig im weichen Waldboden, aber wo der Cadillac durchgekommen war, sank auch der Rolls nicht ein. Als die Kühlerfigur wieder in Richtung Straße deutete, schaltete Bjern Grym den Motor aus. Langsam, wie ein uralter müder Mann, stieg er aus und sah zum Cadillac hinüber.
Dort löste sich ein dunkel gekleideter Mann aus dem Dämmerlicht des Unterholzes und näherte sich dem Schweden. Das Gesicht des Dunklen war glatt und nichtssagend. Grym starrte ihn an.
Der Mann besaß keinen Schatten.
»Wer sind Sie?« fragte Bjern.
»Ich bin der, dem Sie Ihr Leben verdanken. In doppelter Hinsicht«, sagte er. »Sie können mich deMontagne nennen.«
»Franzose?« stieß Bjern hervor. »Montagne? Haben Sie etwas mit diesem… Château Montagne zu tun, mit Professor Zamorra?«
»Ich ließ das Château erbauen«, sagte Leonardo.
Bjern schluckte. »Und was wollen Sie jetzt von mir?« Jemand, der so deutlich auf seine Lebensrettung hinwies, konnte ihm nicht gefallen. Der Mann war ihm unsympathisch. Und er besaß keinen Schatten… konnte den Schatten getrennt von sich agieren lassen… Das war Grym nicht geheuer, der sich an die Geschichte von Schlemihl erinnerte, dem Mann, der seinen Schatten verkaufte.
Leonardo deMontagne lachte spöttisch.
»Ich spüre, welche Gedanken Ihnen im Kopf herumspuken«, sagte er. »Ich erinnere Sie noch einmal daran, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, daß Sie ohne mein Eingreifen tot wären. Sie besitzen eine besondere Fähigkeit. Sie haben sie mir bewiesen, als Sie den Kanister holten. Haben Sie ihn wieder mitgebracht? Er gehört mir.«
Bjern Grym preßte die Lippen zusammen.
»Schwarze Magie«, sagte er. »Sie haben mir mit Schwarzer Magie geholfen. Aber warum? Und wie kam dieser Riesenwurm, Tausendfüßler, Monsterraupe oder was auch immer, in mein Boot? Doch auch nur durch Schwarze Magie. Sie haben mir eine Falle gestellt.«
»Ich bewundere Ihren scharfen Verstand, Grym«, sagte Leonardo spöttisch. »Ich hätte daran denken müssen, daß Sie über Magie Bescheid wissen, daß Sie den Unterschied zwischen Magie und Parapsychölogie kennen. Aber das ändert nichts daran, daß Sie in meiner Schuld sind.«
»Die Falle und die Rettung wiegen sich auf«, sagte Bjern. »Sie sollten aus
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