0322 - Leonardos Höllenwurm
niemand; noch weniger begriff man, daß Bjern Grym ihr auch weiterhin die letzte Yacht zur Verfügung stellte, wenn sie einmal wieder mit Hochgeschwindigkeit über den Gardasee preschen wollte. Nun, vielleicht war es Bjern auch ganz recht, wenn die dritte Yacht ebenfalls zu Schrott gefahren wurde; wie es hieß, bastelte er derzeit an einem Boot, das alles Bisherige noch tiefer in den Schatten stellen und hochseegängig für eine Ozeanüberquerung sein sollte.
»Ich frage mich, warum er seine Erfindungen niemals verkauft, und wovon er lebt«, murmelte Giovanni.
Er wartete auf seinen Partner Emilio, damit sie zum Fischen hinausfahren konnten. Früher hatten sie sich und ihr Boot an Touristen vermietet, wenn keine großen Fänge, aber zusätzliches Geld zu erwarten waren. Aber das war vorbei. Seit, seiner Ausfahrt mit John Shaker, dem Seelenhändler, hatte Giovanni auf diese geringen Nebeneinkünfte generell verzichtet und lebte auch so einigermaßen gut. [2]
Deshalb betrachtete Giovanni den Cadillac auch mit Mißtrauen. Wahrscheinlich saß da so ein reicher Stinkstiefel drin, der unbedingt mal mit einem Fischerboot hinausfahren wollte, um die See vollzuspucken. Nein, das war nichts mehr für Giovanni. Nicht einmal der Cadillac selbst konnte ihn begeistern. Der fraß doch bestimmt seine zwanzig Liter und mehr von dem teuren Benzin, während Giovannis Fahrrad sich mit Luft zufriedengab. Und außerdem: wie kam man mit so einem breiten Auto überhaupt durch die schmalen Straßen der Dörfer und Städte? Emilio fuhr einen betagten Fiat 500, der kam durch jede Gasse.
Wenn er zufällig mal fuhr.
Ein dunkel gekleideter Mann stieg aus dem amerikanischen Straßenkreuzer, sah sich kurz um und kam dann auf Giovanni zu. Der Mann war dem Fischer sofort unsympathisch. Der stechende Blick ließ ihn trotz der Hitze frieren.
So hatte Giovanni sich immer eines der Oberhäupter der Mafia vorgestellt. Aber was wollte dieser Obermafioso ausgerechnet von ihm?
»Mein Name ist Leonardo«, sagte der Dunkelgekleidete. Trotz der warmen Kleidung war kein Schweißtröpfchen auf seiner Stirn. »Sie sind Signor Velono?«
Giovanni spie aus, haarscharf an dem Mann vorbei in den Rinnstein neben der Taverne.
»Erraten. Woher kennen Sie mich?«
»Ich bin für gewöhnlich gut informiert über die Gegenden, in denen ich mich aufhalte«, sagte Leonardo. Er sprach ein ausgezeichnetes Italienisch, aber ein ganz schwacher französischer Akzent klang durch. Giovanni konnte den Mann landschaftlich nicht einordnen. Vielleicht kam er aus dem Grenzgebiet zur Schweiz?
»Ich möchte, daß Sie etwas für mich tun«, sagte der Fremde.
Giovanni nahm einen Schluck Wein. Wenn dieser Signor Leonardo jetzt erwartete, daß Giovanni ihn ins Ristorante bat und sich zu einem Drink einladen ließ, täuschte er sich. Auch wenn Giovanni nur ein armer Fischer war, suchte er sich die Leute, mit denen er trank, immer noch selbst aus. Und dieser Mafioso gehörte nicht zu den Auserwählten.
»Ich vermiete mein Boot schon lange nicht mehr, Signore«, sagte er abweisend.
»Ich spreche nicht von Ihrem Boot, sondern von Ihnen«, sagte Leonardo. Er griff in die Innentasche seines Jacketts und nahm ein Scheckheft und einen Kugelschreiber heraus. Der Stift funkelte wie ein roter Diamant in der Sonne. Der Mann begann zu schreiben. »Reicht Ihnen die Summe einer Million Lire, Signor Velono?«
»Ein verlockendes Angebot. Wen soll ich dafür töten?«
Der Fremde lachte auf. »Wofür halten Sie mich? Für einen Verbrecher? Nein, dann würde ich mich sicher nicht ausgerechnet an Sie wenden. Sie sollen nur etwas für mich tun.«
»Was?«
»Eine Schachtel an einem bestimmten Punkt deponieren.«
»Warum tun Sie es nicht selbst?«
»Ich möchte dort nicht durch Zufall gesehen werden. Sie sind ein Einheimischer, Sie können sich eher herausreden, wenn man Sie bemerken sollte.«
»Also doch eine illegale Sache.«
»Zwei Millionen Lire«, bot der Dunkle an.
Giovanni atmete tief durch.
»Drei Millionen«, sagte dere Dunkle.
Giovanni schluckte. Das war eine Menge Geld [3] , das er gut gebrauchen konnte. Sein Schiff mußte verschiedentlich geflickt und erneuert werden, er konnte Lucia das Kleid kaufen, das sie schon seit langem haben wollte, und er konnte auch seine Schulden bezahlen. Drei Millionen Lire…
»Es ist verlockend.«
»Sie nehmen also an.«
»Das habe ich noch nicht gesagt«, murmelte Giovanni.
Der Fremde schrieb jetzt eine Zahl und den Betrag in Buchstaben in das
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