0322 - Leonardos Höllenwurm
Scheckformular, riß es aus dem Heft und reichte es Giovanni zusammen mit einer weißen Schachtel. Giovannis Augen wurden groß. Der Scheck war auf sechs Millionen Lire ausgestellt. »Deponieren Sie diese Schachtel in Bjern Gryms Yacht, irgendwo im Innern des Bootskörpers, an einer möglichst unauffälligen Stelle. Das ist alles, was ich von Ihnen will.«
»Eine Sprengladung?« fragte Giovanni mißtrauisch.
»Keine Sprengladung.« Der Fremde öffnete die Schachtel kurz und ließ Giovanni hineinsehen. Ein kleiner Wurm lag darin, einem Stückchen Draht nicht unähnlich. »Es handelt sich um einen Scherz.«
»Einen Scherz, den Sie sich sechs Millionen kosten lassen?« wunderte sich Giovanni.
»Ich habe genug Geld«, sagte Leonardo. »Mehr, als ich in tausend Jahren ausgeben kann, wenn ich jeden Tag solche Scherze mache.«
»Sie müssen es ja wissen«, murmelte Giovanni. »Gut, ich werde es erledigen. Wann?«
»Sofort«, sagte der Fremde. Er schob das Scheckheft und den funkelnden Schreiber wieder ein und kehrte wortlos zu seinem Cadillac zurück. Dann glitt der Wagen leise summend davon.
»Der Kerl ist verrückt«, sagte Giovanni. »Will nicht dabei gesehen werden… jeder hat doch jetzt gesehen, daß er mit mir geredet hat, und jeder kann sich denken, daß ich in seinem Auftrag handelte. Nicht mal das Nummernschild hat er zugehängt…«
Das Fahrzeugkennzeichen lautete ROMA 100000 und war noch von der alten Sorte, schwarz mit weißen Zahlen. Bestimmt eine Wunschzahl, dachte Giovanni grinsend, denn daß ausgerechnet auf diesen Wagen bei der Zulassung die Hunderttausend fiel, war ein zu großer Zufall. Der Mann schien Beziehungen in Rom zu haben.
Nun, ihm konnte es egal sein.
Die Schachtel in der Hosentasche, den Scheck in der Hand, ging er zur Bank und ließ die sechs Millionen Lire seinem Konto gutschreiben - Telefonauskunft ergab, daß er tatsächlich gedeckt war. Giovanni fühlte sich prächtig; er war jetzt ein einigermaßen wohlhabender Mann unter den Fischern. Und mit diesem Wohlgefühl machte er sich daran, den Auftrag auszuführen. Was war schon Schlimmes daran, diesem Schweden die Schachtel in die Yacht zu tragen. Ein kleiner drahtähnlicher Wurm… dieser Leonardo mußte wirklich ganz schön verrückt sein.
Trotzdem schien es eine geheime Sache zu sein. Also sah Giovanni zu, daß ihn möglichst keiner beobachtete, als er das Deck der Superyacht betrat. Für die sechs Millionen hätte er noch ganz andere Dinge getan.
Nur nicht darauf geachtet, daß dieser Signor Leonardo - keinen Schatten besaß…
***
Leonardos Schatten derweil trieb sich im und um das Haus von April Hedgeson herum. Er beobachtete und ließ Leonardo dadurch am dortigen Geschehen teilhaben. Und er hatte auch die Spinne fortgebracht, die von Butler Dennessey zertreten worden war.
Es hatte Leonardo einen kleinen Nadelstich versetzt, und fast hätte er der Riesenraupe den Kampfbefehl gegeben. Aber er beherrschte sich. Es war noch nicht an der Zeit. Das große Aufräumen würde erst noch kommen.
April Hedgeson und Bjern Grym waren die Ziele des Fürsten der Finsternis.
Ein anderer Dämon hatte ihm gezeigt, wie er die Zamorra-Crew nachhaltig schwächen konnte, ohne sich auf einen Kampf mit Zamorra oder seinen Gefährten selbst einzulassen. Das hatten sein Leibwächter und Vertrauter Wang Lee Chan und er selbst oft genug getan und waren gescheitert. Aber es gab einen anderen Weg.
Seit dem Tode Manuela Fords fiel Zamorras ältester Freund Bill Fleming so gut wie vollständig aus, und vor kurzem erst hatte ein anderer Dämon versucht, Fleming die Rückkehr ins Leben, die seine Freundin angeblich erlebt haben sollte, vorzutäuschen. Fleming war ausgeflippt und wäre möglicherweise sogar bereit gewesen, seine Freunde zu verraten. Wie würde nun Nicole Duval reagieren, wenn ihre Freundin April Hedgeson starb?
Und Bjern Grym war ein ganz anderer Fall.
Sein Vater war hochgradig parabegabt gewesen. Er hatte Traum-Phantome erstellen können, die leibhaftig existierten und ihr Unwesen trieben. Dabei war er zum Bösen übergekippt. Sein Pech war es, daß er zufällig mit der weißen Hexe Damona King zusammentraf, die ihn zur Strecke brachte. Aber Bjern Grym hatte diese Traum-Magie-Begabung von seinem Vater geerbt. Die Vorfälle waren der Grund dafür, daß Grym über alles, was mit seiner Parabegabung zusammenhing, eisern schwieg. Eine Zeitlang war es so, als sei diese Begabung durch die Vorfälle um den Tod seines Vaters erloschen. Aber
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