0324 - Sie tanzten, wenn die Ratte pfiff
Maschinenpistole.
»Noch zwei Minuten«, sagte Mr. High.
»Ich wollte, es wäre schon vorbei«, röhrte Captain Hywood. »Ich traue den Chinesen nicht. Sie können die Hände zum Zeichen der Kapitulation noch so hoch recken, man muss immer noch damit rechnen, dass sie plötzlich ein Messer in der Hand haben und es schleudern.«
»Hoffen wir, dass es ohne Blutvergießen abgeht«, sagte Phil.
»Also«, sagte ich. »Wir gehen raus. Noch achtzig Sekunden…«
***
John Rickert war zweiundvierzig Jahre alt und ein Star-Reporter, der sich nur mit wirklichen Knüllern beschäftigte.
Seine Spezialität waren die großen Untersuchungen, die langen Fortsetzungsberichte, die Grands, wie sie in Journalistenkreisen genannt werden.
Es war John Rickert gewesen, der den großen Bericht über die Machenschaften von Gangstern in den Hafen-Gewerkschaften verfasst hatte, einen Bericht, von dem alle amerikanischen Blätter drei Monate lang zehrten.
Seit zweiundzwanzig Jahren war Rickert Journalist. Ihm war einmal der Pulitzer-Preis und viermal der Preis für die beste Reportage des Jahres verliehen worden.
Es gab Senatoren, die sich voller Stolz »John Rickerts Freund« nannten, und es gab mächtige Leute, die befürchteten, dass John Rickert seine berüchtigte Nase in ihre dunklen Geschäfte stecken könnte.
John sah wie ein kleiner, behäbiger Geschäftsmann aus. Er hatte einen ansehnlichen Bauch. Sein volles, rotes Gesicht mit der dicken Knollennase und den listig blinkenden Äuglein machte den Eindruck harmloser Gutmütigkeit.
An diesem Abend hockte John in einer Bar in der 42. Straße.
Er hatte den Hut auf dem Kopf behalten, wie es in den Durchschnittskneipen üblich ist.
Vor ihm stand sein Spezialgetränk: Coca-Cola mit französischem Cognac.
Er sah auf seine Uhr. In wenigen Minuten war es Mitternacht.
Wenn mich der Kerl noch eine halbe Stunde warten lässt, dachte Rickert, sage ich ihm bei unserér nächsten Begegnung gehörig Bescheid. Und dabei hat der Kerl behauptet, er habe eine sensationelle Story für mich.
»Noch eine Cola, Billy!«, rief Rickert.
»Hallo, John!«, sagte in diesem Augenblick eine heisere Stimme hinter ihm.
John drehte sich um. Ein mittelgroßer Mann stand neben seinem Tisch. Er trug einen schäbigen Tweedmantel und 6 einen hellgrauen Anzug. Das Gesicht des Mannes war hässlich und erinnerte an den Kopf eines Affen.
»Wechsel-Tony«, schnaufte John Rickert. »Da bist du ja endlich. Setz dich und sag, was du trinken willst. Wenn du mich noch einmal eine halbe Stunde warten lässt, erlebst du dein blaues Wunder.«
Wechsel-Tony war bei Johns drohenden Worten ein wenig blasser geworden.
»Um Himmels willen, John, nun sei doch nicht gleich böse«, bettelte er. »Es kann doch jedem mal was dazwischen kommen.«
»Wenn einer mit mir verabredet ist, darf ihm nichts dazwischenkommen«, verkündete Rickert, »Aber jetzt rück endlich mit deiner Geschichte raus!«
Wechsel-Tony lehnte sich weit auf seinem Stuhl zurück und grinste listig.
»Sachte, sachte«, krächzte er. »Ich bin doch nicht so blöd und zeige meine Ware, bevor ich nicht weiß, ob wir überhaupt ins Geschäft kommen.«
John seufzte. »Jetzt fang nicht mit der Tour an! Ich bin kein Anfänger. Ich kann einen Preis erst dann machen, wenn ich die Ware gesehen habe. Also heraus mit der Sprache!«
»Und wenn ich dir die Geschichte erzählt habe, schlachtest du sie aus, ohne mir auch nur einen einzigen Buck zu geben, und ich bin der Geprellte.«
John Rickert stand auf.
»Du bist ein Esel«, sagte er. »Wenn du mir nicht traust, hättest du mich nicht erst anzurufen brauchen.«
Kein Wimpernzucken verriet seine Spannung. Wenn Wechsel-Tony die Sache so spannend machte, konnte es tatsächlich ein fetter Brocken sein.
»Sei nicht so empfindlich, John«, krähte Tony. »Nun bleib doch sitzen! Ich habe mir zwar geschworen, keinem Menschen mehr zu vertrauen, aber bei dir will ich eine Ausnahme machen. Hast du Interesse an einer Story, die -wenigstens zum Teil - in Afrika spielt?«
Tony hatte sich vorgebeugt und den letzten Satz nur noch geflüstert.
John Rickert warf seine Zigarre in den Aschenbecher und holte eine neue aus seinem Lederetui. Dann zog er ein kleines silbernes Taschenmesser hervor, klappte die Klinge heraus und feuchtete das Ende der Zigarre an, um es sorgfältig abzuschneiden.
Als dann endlich die ersten Rauchringe über Rickerts fleischige Lippen quollen, brummte er: »Afrika? Warum nicht? Das hängt ganz davon ab,
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