0326 - Dämonen-Paradies
Treppe.
Sie besaß keinen Teppich, war auch nicht blankgebohnert, sondern mit ziemlich unebenen Stufen gebaut.
Die Treppe mündete in einen düster wirkenden Gang. Wir befanden uns schon im Anbau des Schlosses. Durch die schmalen Fenster fiel nur mattes Tageslicht.
»Hier ist das Personal untergebracht worden«, erklärte Maxi.
»Und Conrads Zimmer?«
Die Frau deutete auf eine Tür an der linken Seite.
»Danke sehr. Am besten wäre es, wenn Sie sich wieder zurückziehen. Abgemacht?«
»Aber ich…«
»Mit Conrad komme ich schon allein zurecht. Wenn ich Sie brauche, rufe ich Sie.«
»Wie Sie meinen, John.« Noch einmal schaute sie mich prüfend an.
Danach machte sie kehrt und ging.
Ich wartete so lange, bis ihre Schritte verklungen waren, atmete noch einmal tief durch und klopfte gegen die Tür.
Niemand gab mir Antwort, und so versuchte ich es ein zweites Mal.
Auch jetzt erfolgte keine Reaktion. Entweder war Conrad nicht da, oder er wollte nicht öffnen.
Ob er von innen abgeschlossen hatte, würde ich bald feststellen können. Sehr vorsichtig drückte ich die Klinke nach unten, lehnte mich gegen die Tür und atmete auf, als es mir gelang, sie nach innen zu drücken.
Eine Reaktion der anderen Seite erfolgte nicht. Ungewöhnliche Stille empfing mich.
Ich hatte Conrad geraten, auf seinem Zimmer zu bleiben. Wie es aussah, war er diesem Ratschlag nicht gefolgt. Das hätte ich mir auch denken können, denn Freunde waren wir nicht gerade.
Behutsam drückte ich die Tür so weit auf, daß ich über die Schwelle treten und einen ersten Blick in den Raum werfen konnte. Es brannte kein Licht. Durch das schmale, hohe Fenster fiel zwar Tageshelligkeit, doch sie ließ einige Ecken und Winkel des Raumes noch im Schatten.
Rechts von mir befand sich ein Bett, gegenüber der hohe, bis zur Decke reichende Schrank, doch für ihn hatte ich keinen Blick.
Mich interessierte einzig und allein das Bett, auf dem jemand lag. Eine große, dunkel gekleidete Gestalt.
Der Butler Conrad!
Schlief er?
Ein sehr seltsames Gefühl beschlich mich, denn ich hatte in dieser ähnlichen Rückenhaltung auch schon Tote liegen sehen. Möglich war in diesem dämonischen Schloß alles.
Auf Zehenspitzen näherte ich mich dem Weg. Mein Blick war starr geworden, die Augen hielt ich auf das Ziel gerichtet, und ich sah auch nicht, daß sich die Brust des Mannes unter irgendwelchen Atemzügen hob oder senkte.
Sollte er tatsächlich nicht mehr leben?
Mir rieselte es kalt den Rücken hinab. Noch ein gleitender Schritt, und ich stand neben dem Bett.
Conrad lag auf dem Rücken. Sein Blick war starr gegen die Decke gerichtet. Der Blick eines Toten, das sah ich sofort.
Ich sah auch noch mehr.
Den dunklen Streifen und die klaffende Wunde an seinem Hals.
Jemand hatte Conrad die Kehle durchgeschnitten!
Der zweite Mord innerhalb kurzer Zeit!
Ich war geschockt, damit hätte ich nicht gerechnet, und ich fragte mich jetzt schon, wie es mir gelingen sollte, den unheimlichen Killer zu stellen.
Mit dieser Tatsache schied auch Conrad als Täter aus. Ausgerechnet ihn hatte ich am stärksten verdächtigt.
Wer kam als Täter in Betracht? Diese Frage stellte ich mir, als ich mit den Fingerspitzen die Gesichtshaut berührte. Ich wollte anhand der Temperatur feststellen, wie lange Conrad schon tot war. Möglicherweise erst seit Minuten, so daß sich der Mörder noch in unmittelbarer Nähe befand.
Die Haut war nicht warm und nicht kalt. Irgendwie lau, eine komische Mischung, wie ich sie noch nie so gespürt hatte. Da stimmte einiges nicht. Ich spürte das gewisse Kribbeln, das mich durchrieselte. Auch die Atmosphäre war eine andere geworden. Hier stand ich vor einem Phänomen, und noch fehlte mir der Durchblick.
Wieder schaute ich in das Gesicht, suchte nach einem Zucken der Muskeln oder nach einem anderen Hinweis für eine dämonische Aktivität.
Nichts zu machen.
Conrad war tot…
Ich hatte mich bei der letzten Untersuchung über ihn gebeugt und drückte meinen Oberkörper nun in die Höhe. Dabei war ich nicht mehr so konzentriert, und das nutzte mein Gegner aus.
Plötzlich erwachte die Leiche zum Leben!
So schnell konnte ich nicht reagieren. Conrad schoß in die Höhe, und noch schneller war seine Faust.
Zwar bekam ich mein Gesicht ein wenig zur Seite, das Kinn wurde trotzdem erwischt.
Ich glaubte, von einem Pferd getroffen zu sein. Auf einmal explodierten tausend Sonnen vor meinen Augen, und ich hatte das Gefühl, aus den Schuhen gehoben zu werden,
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