0327 - Vampir-Witwen
Streß zu stehen.
Sie hatte sich geärgert, vielleicht war sie auch provoziert worden, jedenfalls empfand Bill ihre Reaktion als nicht mehr normal.
Noch einmal rief er nach ihr.
Sie kam auch.
An der linken Seite tauchte sie auf. Seltsam war ihr Gang, so abgehackt und schwerfällig.
Irgend etwas war mit der Wölfin. Bill wartete keine Sekunde länger und erreichte nach einigen Schritten die Wölfin.
Noch immer trommelte der Regen auf die Pfützen im Garten. Ein grauer Vorhang, der nicht abreißen wollte, fiel aus den Wolken. Das Licht riß Inseln in diese Düsternis und traf auch auf den Gegenstand, den Nadine zwischen den Zähnen hielt.
Bill Conolly glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Er schüttelte ein paarmal den Kopf, ging in die Hocke, Regentropfen klatschten auf seinen Rücken, das alles interessierte ihn nicht, er schaute aus starren Augen auf das, was die Wölfin gefangen hatte.
Im ersten Moment wirkte es wie ein dunkler, ziemlich großer Lappen.
Das war es nicht, denn Nadine hatte ihre Zähne in den Flügel einer übergroßen Fledermaus geschlagen.
Jawohl, eine Fledermaus!
»Das gibt es doch nicht«, sagte Bill, schüttelte den Kopf, und seine Worte gingen im Prasseln des Regens unter. »Laß sie los, Nadine!«
Die Wölfin knurrte, sie wollte nicht so recht. Bill gab nicht auf. Er packte sie und schob sie zur Seite. In der Nähe blieb Nadine stehen.
Sie ließ weder Bill Conolly noch die Fledermaus aus den Augen. Ihr Fell glänzte naß. Die Schnauze stand offen, aus dem Maul drangen hechelnde Laute.
Die Fledermaus war tot. Bill drehte sie auf den Rücken, sah den relativ kleinen Kopf und auch das Maul, das weit aufgerissen war. In ihm funkelten die Zähne wie kleine Messer.
Eine tote Fledermaus auf seinem Grundstück, denn nirgendwo anders konnte Nadine sie hergeholt haben. Wie kam sie dorthin?
War es überhaupt eine normale Fledermaus oder ein Vampir?
Es war ganz natürlich, daß sich Bill diese Frage gestellt hatte, denn oft genug hatte er sich gegen Fledermäuse, sprich Vampire, verteidigen müssen.
Er kannte die Blutsauger, und er wußte auch, daß es Vampire gab, die sich in Fledermäuse verwandelten und umgekehrt.
Hatte er eine solche vor sich? Und weshalb war sie gestorben? Bill dachte darüber nach, während er auf die wie nasse Leder wirkende Flügel des Tieres starrte. Er fand die Lösung. Sie hing mit Pater Ignatius und den bannenden Zeichen zusammen, mit denen er das Haus der Conollys versehen hatte.
Das mußte es sein. Die Fledermaus hatte das Haus angreifen wollen und war mit einem der Zeichen in Berührung gekommen.
Dadurch war sie getötet worden.
War diese Fledermaus ein Vampir im alten Sinne? Das mußte Bill herausfinden, und so etwas klappte nur, wenn er pfählte oder Silberkugeln verschoß. Wenn sich bei diesen oder anderen Methoden Reaktion zeigte, hatte Bill den Erfolg.
Noch einmal schaute er in die aufgerissene Schnauze der Fledermaus.
Nein, da tat sich nichts. Er sah keine Bewegung. Die Augen blickten starr, und auch das Maul hatte sie nicht geöffnet.
Dennoch beschlich Bill ein seltsames Gefühl. Hier stimmte einiges nicht. Er hatte das Gefühl, einem Vorboten gegenüberzustehen. Die eigentliche Gefahr lauerte noch im Hintergrund.
Die wollte Bill stellen.
Zunächst mußte er den Test durchführen. Zum Glück hatte er seine Silberkugel-Beretta mitgenommen.
Wenn er die Kugel in das Maul der toten Fledermaus setzte, würde er schon sehen, ob sie sich verwandelte oder nicht. War sie ein echter Vampir, zerfiel sie zu Staub.
Der Reporter hatte seine Waffe in der rechten Außentasche seiner Wetterjacke gesteckt. Die Tasche besaß eine Klappe, die von Bill erst noch hochgeschoben werden mußte.
Als der Reporter seine Hand in der Tasche versenkt hatte, hörte er das warnende Knurren der Wölfin.
In dieser Nacht reagierte Bill auf jeden Laut. Das Tier hatte seinen Grund, wenn es so reagierte. Wahrscheinlich lauerte eine weitere Gefahr in der Nähe, von der Bill noch nichts ahnte.
Er machte sich auf einiges gefaßt, vergaß die tote Fledermaus und bewegte sich zur Seite.
Das war sein Glück.
Den Schuß vernahm er nicht, als eine Kugel dicht vor der Scheibe auf den Boden schlug, zu einem Querschläger wurde und gegen das Rollo schlug.
Jemand hatte auf den Reporter geschossen.
Gedankenschnell lag Bill am Boden, rollte sich einmal herum, kam wieder hoch und jagte mit weiten Sprüngen aus dem Lichtkreis und somit aus dem unmittelbaren Bereich der Gefahr.
Weitere Kostenlose Bücher