0327 - Wer die Blutfrau lockt
ist es empfehlenswert, die Preise der Speisekarten an den Aushängen mit denen am Tisch zu vergleichen. Amerikanische Fastfood-Restaurants und eine frisch gezapfte Ale in einem der überfüllten Pubs sorgen dafür, daß auch der Tourist mit magerem Geldbeutel Soho auf seine Art erleben kann. Nur nach 23 Uhr gehen hier die Lichter aus — und um in einem der Clubs für eine Stunde oder eine Nacht »Mitglied« zu werden, muß der Besucher ganz schön tief in die Tasche greifen.
In den Gassen und versteckten Seitenstraßen regiert das Dirnenmillieu. Hierher kam Marenia, wenn sie keine Lust hatte, eine Discothek zu besuchen um den Mann zu finden, der ihr in dieser Nacht mit seinem Blut das Verlangen stillen sollte. Auch heute ging sie wieder mit geschmeidigeñ Bewegungen wie eine Tigerin durch die herumlungernden Frauen und Mädchen, in deren verlebten Gesichtern kalte Teilnahmslosigkeit lag.
»Wohin gehen denn diese beiden hübschen Beinchen?« wurde sie von hinten angesprochen. Marenia drehte sich um und sah in das Gesicht eines Mannes, der sicher zur modischen Anvantgarde gehörte. Er war besser geschminkt wie die Gruppe Duran-Duran und seine ausgefallene Kleidung mußte von den teuersten Modezaren in der Bond Street geschneidert sein.
»Ins Kino, wenn nichts dazwischen kommt!« gab Marenia frech in der Sprache des Milieus zurück. Nun, er war nicht gerade ihr Fall, aber gewiß nicht zu verachten. Das Liebesspiel beherrschte er bestimmt ziemlich gut.
»Ich hätte da einen viel besseren Vorschlag, als sich im Kino zu langweilen!« klang die weiche Stimme des Mannes. »Ich heiße übrigens Jack Klinger. Spiele Baßgitarre bei den ›Rainbow-Risers‹. Tolle Band. Unheimlich gut drauf. Wir kommen bestimmt mal in die Charts und werden größer als Elvis und die Beatles zusammen!«
»Meinst du, daß mich das besonders interessiert?« fragte Marenia kühl. »Wenn du was drauf hast, dann sag es. Wenn nicht, dann schieb ab.«
»Ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann…?« Klinger kratzte sich hinter den Ohren.
»Ich habe heute meine private Geburtstagsparty und hatte vor, mir selber mal einen richtigen Mann zu schenken!« gurrte Marenia. »Na, bist du einer oder sind die tollen Klamotten, die du trägst, für jemanden anders geschneidert? Ich dachte immer, wer so wie du rumläuft, der ist voll da!«
»Wenn’s darum geht, da ist bei mir alles klar!« rief Jack Klinger großspurig. »So lange es kein Geld kostet… !«
»Es kostet kein Geld!« sagte Marenia laut. »Leben und Seeligkeit - das wird es dich kosten!«
»Dann ist alles klar!« freute sich Klinger. »Wo gehen wir hin?«
»Zu mir!« flüsterte Marenia geheimnisvoll. »Nur da haben wir die richtige Atmsophäre! Rufen wir ein Taxi?«
»Weißt du, ich bin gerade nicht gut bei Kasse und… !« preßte Klinger hervor.
»Wir können auch mit der U-Bahn fahren!« erklärte Marenia.
»Da mußt du mir aber den Fahrschein bezahlen!« krächzte Jack Klinger. »Weißt du, wenn man immer nach dem neusten Trend gekleidet sein will, dann ist man meistens blank!«
Marenia sah ihn mit unergründlichen Augen an…
***
Während Marenia Jack Klinger mit dem leisen Streicheln ihrer Finger über seine nackte Haut immer mehr zur Raserei brachte, betrachtete sie fasziniert seinen Hals, als er zum Höhepunkt kam, biß die Vampir-Lady zu. Jack Klinger spürte nicht den Biß, sondern nur das unheimlich erotisch-berauschende Gefühl ihrer Lippen auf seiner Haut.
Marenias Körper spürte, wie Klinger erschlaffte und kraftlos wurde. Die Blässe in seinem Gesicht war trotz der Schminke zu erkennen.
Marenia spürte, daß er nicht mehr lange durchhielt.
Langsam löste sie ihre Lippen von seinem Hals. Sofort begann das Blut zu stocken und nur zwei rote Punkte waren zu erkennen.
»Hey, warum hörst du auf, Baby?« fragte Jack Klinger geistesabwesend mit schwacher Stimme. »Du, das war unheimlich stark, was du da gemacht hast. Ein wahnsinnig gutes Gefühl. Mach weiter, Baby… ich will es… mach weiter!«
»Sieh mich an, Jack Klinger!« Marenias Stimme klang leise, aber mit befehlender Autorität. »Sieh mir in die Augen!«
»Ey, Baby! Was soll denn der Blödsinn?« Klingers Stimme klang lallend. »Was siehst du mich so komisch an. Ich will…!« Jack Klinger sagte nicht, was er wollte. Denn in diesem Augenblick hatte er keinen eigenen Willen mehr. Er sah zwei glühend rote Punkte in Marenias Augen, die wie das Herz eines Vulkans leuchteten und ihn zu sich herab rissen um
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