0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
anhielt.
Vor der Tür und auf der gesamten Flurbreite schimmerte die Lache. Von ihrer Oberfläche stiegen stinkende Dämpfe in die Höhe, die mir die Luft raubten.
Ich wartete noch. Hinter mir hörte ich das Schlagen von Türen und aufgeregte Rufe. Der Schuss war natürlich gehört worden. Indirekt half mir die Frau vom Treppenabsatz.
»Bullen im Haus!« keifte sie. »Haut ab, wenn es geht. Hier sind die Bullen!«
Nach vorn konnten die Bewohner nicht, da stand ich. Also rannten sie nach hinten. Ich hörte das Schlagen einer Tür, die Stimme verstummte, es wurde stiller.
Ich war mit dem vergehenden Ghoul allein.
Noch immer sonderte er die Lachen ab. Sie breiteten sich aus. Eine helle, manchmal milchige Flüssigkeit, die widerlich roch. In ihr schwammen die Knochenstücke des Ghouls. Sie wirkten wie aus Gummi hergestellt. Die Kleidung verging nicht. Ebenso wenig die Waffe und andere persönliche Gegenstände.
Ich verließ diesen Ort des Schreckens, zu dem ich später noch einmal zurückkehren wollte. Suko und der Schwerverletzte waren jetzt wichtiger. Langsam stieg ich die Treppe hoch.
Um gegen den widerlichen Gestank anzukämpfen, zündete ich mir eine Zigarette an. Ich wollte einfach den kaum zu beschreibenden Geschmack aus dem Hals bekommen.
Suko traf ich vor der Wohnung im Flur. Obwohl wir nicht viel sehen konnten, entnahm ich seinem Gesichtsausdruck, dass etwas geschehen sein musste.
Ich schaute ihn fragend an.
»Er hat es nicht mehr geschafft.«
»Also tot?«
»Leider.« Suko nickte. »Die Verletzungen waren einfach zu schwer. Der Killer muss gewütet haben.«
»Er lebt auch nicht mehr.«
»Kann ich mir vorstellen, denn ich hörte den Schuss. War es tatsächlich ein Ghoul?«
»Ja, er liegt noch unten und löst sich auf.« Ich schüttelte mich.
»Jetzt weiß ich auch, womit er Gurny umgebracht hat. Ein scheußliches Instrument.« Suko bekam von mir eine Beschreibung und meinte: »Da können wir uns auf einiges gefasst machen.«
»Falls wir eine Verbindung finden.«
»Wieso nicht?«
»Was sollte ein Geldverleiher mit einem Ghoul zu tun haben, frage ich dich.«
»Eigentlich nichts Direktes«, meinte Suko.
»Indirekt denn?«
»Ich denke an Costello. Ed Gurny hat bestimmt nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Welcher Buchmacher und Geldverleiher tut das schon? Nein, dahinter steckt Logan Costello. Wahrscheinlich zieht er die Fäden. Du weißt doch selbst, dass wir auf seiner Abschussliste stehen, wenn er sich auch in den letzten Monaten nicht mehr gerührt hat. Vergessen wird Costello nichts.«
Ich rieb mein Kinn und schüttelte den Kopf. »Nein, Suko, Costello hat sein Lehrgeld zahlen müssen. Ich glaube fest daran, dass er so gut wie geheilt ist.«
»Wieso?«
»Das Theater mit der Mordliga. Er war zum Schluss regelrecht frustriert, wenn du dich erinnerst.«
»Schon, aber ich glaube trotzdem daran.«
»Vielleicht finden wir bei dem Ghoul eine Spur. Auf jeden Fall war er ein Liliputaner. Dann ist mir noch aufgefallen, dass er einen Zylinder trug, und dabei dachte ich an einen alten Spezi.«
»Grimes.«
»Genau.«
»Aber Grimes ist vernichtet.«
»Sicher. Er schon. Was nicht heißen muss, dass nicht mehrere von seiner Sorte noch herumlaufen. Wie dem auch sei, wir werden es herausfinden. Kommst du mit?«
»Klar.«
Wir gingen die Treppe hinunter. Sobald wir in die Sichtweite irgendwelcher Wohnungstüren gerieten, wurden diese sofort geschlossen. Mit der Polizei hatte hier niemand gern etwas zu tun.
Das Spiel kannten wir.
Der Ghoul hatte sich völlig aufgelöst. Innerhalb der schleimigen und allmählich eintrocknenden Masse sah ich die leicht deformierte Silberkugel. Ich nahm sie wieder an mich. Silber ist teuer. Man konnte das Geschoss noch einschmelzen.
Mit spitzen Fingern nahmen wir die Kleidungsstücke des Ghouls an uns, legten sie beiseite, breiteten sie aus und durchsuchten die Taschen. Papiere fanden wir natürlich keine. Dafür einen Reklamezettel. Er war hellgelb. In roter Schrift wurde auf ein Artistenfest der Liliputaner hingewiesen, das im Hyde Park stattfand.
War das die Spur?
Suko nickte schon. »Auf das Fest bin ich gespannt. Vielleicht treffen wir noch mehr Ghouls.«
»Mal sehen.«
»Und Costello?«
»Den werden wir als nächsten befragen, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass er seine Aktivitäten wieder aufgenommen hat. Aber wir werden sehen.«
Bevor wir dies alles in die Wege leiteten, rief ich bei der Mordkommission an. Ein Telefon fand ich im Nebenhaus.
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