0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
Ghouls!
Blitzartig kam ihm die Erkenntnis. Nur nutzte sie ihm nichts mehr.
Eine durch ihn nicht zu stoppende Kraft zog ihn zurück in das Zimmer.
Er blieb zwar auf den Beinen, seine Lage war schlecht. Als er einen Stuhl umriss, kippte er über das Sitzmöbel. Ein Stuhlbein drang in seinen Bauch. Er rollte sich weiter, kam schwankend auf die Füße und stellte fest, dass er wieder frei atmen konnte.
Vor ihm stand der Ghoul!
Halb verändert. Noch zeigte sich ein Grossteil seines Körpers menschlich. Auch der Arm war nicht mehr lang und glitschig. Dafür zerfloss sein Gesicht und wurde zu einer geleeartigen Masse. An der Stirn schien es sich aufzulösen. Es rann, es tropfte, Fäden bildeten sich, liefen nach unten, und Ed Gurny drückte sich gegen die Wand.
Er atmete schwer. Seine Brille hatte er beim Kampf verloren. Sie lag unerreichbar für ihn. Ohne Brille konnte er nur ungenau sehen.
Der Ghoul kam ihm vor wie ein an den Rändern verschwommener Klumpen. Seine Arme bewegten sich plötzlich. Er griff in die Tasche und holte etwas hervor, das Gurny im ersten Augenblick nicht erkennen konnte, es dennoch als langes Band identifizierte.
Ein Band, das glitzerte.
Der Ghoul lachte. Er bekam mit, wie Gurny sich über die Augen wischte. Dass der Mensch Schwierigkeiten mit der Sicht hatte, störte den Ghoul nicht. Er war gekommen, um den anderen zu töten und würde diesen Vorsatz auch in die Tat umsetzen.
»Was hast du da?« keuchte Gurny.
»Ein Band«, antwortete der Ghoul. »Ein kleines Band. Es ist meine Spezialwaffe.« Bei diesen Worten hatte sich der Zwerg in Bewegung gesetzt und kam langsam näher.
Je mehr die Distanz zwischen beiden schrumpfte, um so besser wurde Gurnys Sicht.
Als er erkannte, dass der andere Rasierklingen in den Händen hielt, krampfte sich sein Magen zusammen.
»Weißt du nun Bescheid?« fragte der Ghoul.
Gurny antwortete nicht. Er konnte nicht mehr sprechen. Sein Hals war zu. »Ich hatte dir doch gesagt, was mit Versagern geschieht. Ich bin dafür bekannt, dass ich meine Versprechen halte. Du hast keine Chance, mir zu entkommen…«
Gurny gab keine Antwort. Der andere drosch gedankenschnell zu.
Gurny sah noch das Blitzen vor seinen Augen, hörte auch das Pfeifen und wurde getroffen.
Der Schmerz war fürchterlich…
***
Gurny wohnte tatsächlich in einer Gegend, in der man tagsüber schon Angst haben musste. Wie mochte es erst in der Nacht aussehen? Wir hatten unseren Wagen ein Stück entfernt abgestellt, denn ihn in der Straße zu parken, wäre zu riskant gewesen.
In dieser Gegend hielten sich diejenigen auf, die von der eigentlichen Halbwelt schon ausgestoßen worden waren. Besonders die Frauen, wenn sie zu alt waren. Sie versuchten ihre eigene Verzweiflung durch Forschheit zu überbrücken, was manchmal nicht nur lächerlich, sondern auf gewisse Art und Weise auch tragisch wirkte.
Mir taten die Frauen leid.
Suko und ich suchten nach Hausnummern. Auf einige Hauswände waren welche aufgemalt, bei anderen fehlten sie, so konnten wir raten und es uns aussuchen, wo Gurny lebte.
Zwei Männern passte unser Verhalten nicht. Sie waren noch jung und bauten sich vor uns auf.
»Schnüffler wollen wir nicht haben!« erklärten sie.
Ich zeigte ihnen meinen Ausweis.
Da wurden sie ruhiger. In ihren Gesichtern stand das schlechte Gewissen. Gegen uniformierte Polizisten gingen sie wohl manchmal an, bei Scotland Yard-Leuten hatten sie einen gewissen Respekt. Ich beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen und fragte nach Gurny.
»Ed sucht ihr? Der wohnt da vorn.«
»Ist er im Haus?«
»Kann sein. Wenn nicht, findet ihr ihn in seinem Laden.«
»Wo ist der?«
Wir bekamen die Anschrift gesagt. Mehr war aus den Typen nicht herauszukriegen.
»Sehen wir erst mal in seiner Bude nach.« Ich ging hinter Suko her, der den Vorschlag gemacht hatte.
Schon bald betraten wir ein altes Haus, in dessen Flur es muffig roch. Es war wirklich ein Gestank, der einem den Magen ansteigen ließ. Hier machte niemand sauber, hier räumte keiner auf. Manchmal erschnupperten wir auch den Geruch von billigem Parfüm.
Immer nur ein Hauch, aber uns war klar, dass die Dirnen dieses Gebäude auch als Absteige für sich und ihre Freier benutzten.
Wo Gurnys Wohnung lag, wusste niemand von uns. Wir gingen in die erste Etage und trafen auf der Treppe hockend eine ältere Frau.
Als ich mit Kleingeld klimperte, schaute sie auf.
»Wo finden wir Ed?«
Ein faltiges Gesicht mit müden Augen blickte mich an. Vorgestreckt war
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