0329 - Erpresser kennen keine Gnade
Bewachung von Sullivan und der Miller zurückgelassen hatten.
Fred Nagara lehnte in einer Ecke neben dem Lift. Von hier aus konnte er den ganzen Flur überblicken.
»Na, habt ihr den Kerl geschnappt?« Ich schüttelte müde den Kopf und fragte:
»Ist die Miller wieder zurückgekommen?«
Nagara nickte und berichtete dann: »Sie kam vor knapp zehn Minuten, ging sofort in die Wohnung von Sullivan. Nach einem kurzen Augenblick kam sie allerdings wieder heraus und ging in ihre eigene Wohnung. Sullivan ging kurz darauf auch hinüber. Bis jetzt haben die beiden die Wohnung von Miß Miller noch nicht verlassen.«
Phil meinte:
»Damit dürfte unsere erste Theorie ausgeschaltet sein. Falls die beiden was mit der Geschichte zu tun haben, hängen sie beide drin.«
»Wenn sie was damit zu tun haben«, schränkte ich ein. »Aber das können uns die beiden selbst erzählen.«
Ich ging zu der Wohnungstür, drückte auf den Klingelknopf und hörte deutlich ein leises Summen. Aber die beiden schienen es nicht gehört zu haben.
»Vielleicht sind sie so damit beschäftigt, sich gegenseitig zu trösten, daß sie nichts gehört haben«, grinste Fred Nagara, als sich auf mein Klingeln nichts rührte.
Ich drückte auf den Klingelknopf, ohne den Finger wieder runter zu nehmen. Deutlich hörten wir den Summerton. Meiner Meinung nach mußte er in der ganzen Wohnung zu hören sein.
Aber nichts rührte sich hinter der weißlackierten Tür.
Ich begann kräftig gegen das Holz zu klopfen. Dann verstärkte ich das Klopfen, ohne dabei das Klingeln zu unterbrechen. Schließlich hämmerte auch Phil mit beiden Fäusten gegen die Tür. Dann hatten wir den ersten Erfolg.
In der Wohnung, die neben der von Miß Miller lag, wurde ein ziemlich zerzauster Kopf aus der Tür gesteckt, und eine keifende Alte fuhr uns an und verbat sich den Krach.
Phil hörte mit dem Trommeln auf, aber ich hatte nach wie vor meinen Finger auf dem Klingelknopf. Als nebenan die Tür mit einem Krach ins Schloß fiel, hörte ich auf. Ich probierte die Klinke. Die Tür war nicht verschlossen.
»Dringender Fluchtverdacht, Verdunkelungs- und Fluchtgefahr«, zählte ich auf und trat in die Diele.
Sie war leer.
Einen Augenblick lauschte ich, aber es war kein Laut zu hören.
Ich winkte Phil und Nagara und deutete auf die Türen, die von der Diele in die einzelnen Zimmer führten.
Die Türen waren alle geschlossen. Ich öffnete die erste.
Ich hatte das Schlafzimmer erwischt.
Hier war kein Mensch, das sah ich auf einen Blick. Es konnte sich auch keiner versteckt haben. Auch im Kleiderschrank nicht. Denn die Türen des Kleiderschrankes waren weit geöffnet.
Auf dem Bett waren Kleidungsstücke verstreut, der Schrank teilweise geleert.
Auch die Schubladen schienen nur noch halb gefüllt zu sein.
Das Ganze sah nach einer Flucht aus, und ich fragte mich, wie die beiden verschwunden sein konnten.
Mit ein paar Schritten war ich an einer offenstehenden Tür, die ins Badezimmer führte. Hier war natürlich auch niemand.
Sogar die Toitettensachen, die auf der Glasplatte unter dem Spiegel gestanden haben mußten, waren verschwunden.
Ich fand nur ein paar Spuren von Puder.
In diesem Augenblick kam Phil herein und knurrte:
»Nichts, Jerry. Im Wohnzimmer war zwar ein bißchen Unordnung. Ein paar Schubladen waren offen. Aber sonst nichts. Kein Sullivan, keine Miller, aber auch keine Möglichkeit zu fliehen. Kein Balkon, nichts!«
Fred Nagara erschien. Er schüttelte den Kopf und murmelte:
»Also, das versteh' ich einfach nicht. Die sind nicht mehr hier. Hab' sogar in den Besenschrank geguckt. Nichts. Aber weg sein können sie doch nicht. Wir haben doch die ganze Zeit vor der Tür gestanden, ‘ne andere Möglichkeit, hier aus der Wohnung zu verschwinden, gibt's doch nicht.«
»Anscheinend doch«, brummte ich und wies auf den Fußabdruck, der deutlich auf dem weißen Stuhl zu sehen war, der genau unter einem hochgelegenen Fenster stand. Das Fenster war geschlossen, und deshalb war ich meiner Sache noch nicht ganz sicher. Aber dann stellte ich fest, daß es nur angelehnt war, wahrscheinlich von außen zugezogen. Ich legte schnell den Badeteppich über den Stuhlsitz, denn ich wollte den Fußabdruck nicht zerstören.
Das Fenster war nicht gerade groß, aber doch groß genug, um einen Menschen hindurchzulassen. Das heißt, wenn der Betreffende nicht gerade an Arthritis litt. Aber das schien weder bei der Miller noch bei Sullivan der Fall zu sein.
Ich beugte mich aus dem Fenster
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