033 - In den Krallen der Tigerfrauen
ging unbeirrt seinen Weg, der ihn zurück ins Leben führte.
In ein Leben, das voller Angst, Grausamkeit und Schrecken für seine Mitmenschen sein würde. Wer diesem Roboter des Grauens begegnete, der war seines Lebens nicht mehr sicher…
***
Melanie O'Hara war nicht schön, aber ungemein sympathisch.
Ihr schmeckte das Essen, das sah man ihr an. Niemand konnte sie diesbezüglich wohl besser verstehen als Pater Severin, der selbst wie ein Drescher zulangte, wenn man ihn vor einen vollen Teller setzte.
»Mein Mann schläft noch«, sagte die Frau und ließ uns eintreten.
»Wir kommen später wieder«, sagte ich.
»Das ist nicht nötig; ich werde Al wecken.«
Ich wollte sie davon abhalten, doch sie eilte schon ins Schlafzimmer, und wir hörten sie mit ihrem Mann hinter der geschlossenen Tür reden. Der Sergeant brummte verdrossen und verschlafen, hustete und gähnte herzhaft.
Als er dann erschien, trug er einen dunkelgrünen Schlafrock über dem gestreiften Pyjama. Schlurfend kam er auf uns zu.
Seine Füße steckten in alten Lederpantoffeln.
Melanie O'Hara ließ uns mit ihrem Mann allein. Sie hatte ihm mitgeteilt, was wir von ihm wollten, und nun hob der Sergeant die Schultern und sagte: »Es steht alles in meinem Bericht. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.«
»Nicht so voreilig, mein Sohn«, sagte Pater Severin und hob die Hand. »Vielleicht fällt dir doch noch etwas ein.«
Al O'Hara fuhr sich mit den Fingern durch das rötlichblonde Haar. »Tut mir leid, Pater. Soll ich Ihnen zuliebe eine Geschichte erfinden?«
»Wir sind nur an Tatsachen interessiert«, erwiderte der Priester.
»Tja, und die sind in meinem Bericht festgehalten.«
Ich versuchte auch O'Hara zu einer persönlichen Stellungnahme zu bewegen. Er sagte, von Mutmaßungen hätten wir nichts, und weitere Fakten könne er nicht liefern.
Ich erzählte ihm, daß wir auch Gary Hooker besucht hatten.
»Hat er sich dazu geäußert?« wollte der Sergeant wissen.
»Ja«, antwortete ich. »Er meint, möglicherweise habe die Hölle die Hand im Spiel.«
Al O'Hara nickte bedächtig. »Die Hölle, ja, wenn ich. nicht Polizist wäre, der sich an Fakten halten muß, würde ich mich wohl auch zu dieser Ansicht durchringen. Aber gibt es das Böse wirklich?«
Niemand war kompetenter, diese Frage zu beantworten, als Pater Severin. »Es gibt Licht und Schatten«, erklärte er.
»Schwarz und Weiß. Anfang und Ende. Unsere ganze Existenz ist auf Gegensätzen aufgebaut, die sich die Waage halten. Es gibt Gott, unseren Herrn. Stimmst du darin mit mir überein?«
»Natürlich, aber…«
»Und es gibt Asmodis, den Fürsten der Finsternis. Wer bereit ist, zu glauben, daß es das Gute gibt, muß zwangsläufig auch damit rechnen, daß das Böse existiert.«
»Das fällt mir nicht leicht«, sagte Al O'Hara. »Für mich fallen der Teufel und seine Dämonen in den unglaubwürdigen Bereich von Schauermärchen.«
Pater Severin schüttelte ernst den Kopf. »Nein, mein Sohn, das Böse ist keine Erfindung der Menschen. Das gibt es wirklich, und du warst letzte Nacht nahe daran, ihm zu begegnen.«
O'Hara lachte nervös. »Da kann ich nur von Glück sagen, daß mir diese Begegnung erspart blieb.«
»Das kannst du in der Tat«, bestätigte Pater Severin.
Ich löcherte den Sergeanten mit zahlreichen Fragen. O'Hara bemühte sich, sie alle zu beantworten, doch es kam für uns nichts Brauchbares heraus. Nach wie vor wußten wir nicht, welches Schicksal Rob Andrews ereilt hatte.
Um das Bild einigermaßen abzurunden, fuhren Pater Severin und ich zur nächsten U-Bahn-Station, begaben uns zur Subway hinunter und warteten auf einen Zug.
»Du trittst auf der Stelle«, stellte Pater Severin fest.
»Sie auch«, gab ich zurück.
»Wir werden den Fall dennoch lösen.«
»Einen Priester ohne Optimismus gibt es wohl nicht, wie?«
»Wir können auf Gott vertrauen.«
»Könnten Sie mit Ihren guten Beziehungen nicht erreichen, daß wir einen entscheidenden Schritt vorwärts machen?«
»Was erwarten Sie von mir? Wunder?«
Ich grinste. »Vielleicht. Wenn ich so einen heißen Draht zum Himmel hätte wie Sie, würde ich mir so einiges richten.«
»Das habe ich nicht nötig. Der Herr richtet's für mich.«
»Tatsächlich«, sagte ich schmunzelnd. »Er schickt zum Beispiel jetzt den Zug, damit wir nicht länger zu warten brauchen.«
Wir fuhren zur Latimer Road, stiegen aus und blieben auf dem Bahnsteig stehen, während die anderen Leute zur Rolltreppe gingen und nach oben
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