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bewegte sich vorsichtig weiter und lugte in die Straße.
„Oh nein!" äußerte sie erschrocken.
„Was ist los?" Devlin versteifte sich und befürchtete eine Auseinandersetzung, bei der er keine Waffe hatte, um Miss Magee und sich zu verteidigen.
„Da kommt jemand", flüsterte sie bestürzt.
„Verdammt!" fluchte er leise. Er nahm an, man würde sie beide gleich festnehmen, und wollte, dass sie sich in Sicherheit brachte. „Retten Sie sich, Miss Magee.
Verschwinden Sie von hier. Ich komme allein zurecht."
Sie lächelte, als ihr bewusst wurde, dass er sich eher Sorgen um sie als um sich selbst machte. Das bewies ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Da sie sich in ihrem Urteilsvermögen bestätigt sah, fand sie, es sei nach wie vor ihre Sache, ihn zu retten.
Molly überlegte und überraschte ihn vollständig, als sie ihm mit einer Kraft, über die sie sich selbst wunderte, die Arme um den Nacken schlang. Ehe er ein Wort äußern konnte, gab sie ihm einen leidenschaftlichen Kuss. In diesem Moment ging ein Paar an der Einmündung der Gasse vorbei. Bei zahlreichen Gelegenheiten hatte sie die Dirnen hier ihrem Gewerbe nachgehen sehen und hoffte, die Passanten mögen sie für ein leichtes Mädchen halten.
Der Mann und die Frau gehörten nicht zu dem Mob. Es handelte sich nur um eine Dame und einen Herrn, die einen Abendspaziergang machten. Sie erblickten das Mädchen und den Mann, sahen das Geld, das es in der Hand hielt, und hasteten unangenehm berührt weiter.
Der Kuss war als Täuschung gedacht gewesen, um nicht entdeckt zu werden. Molly nahm an, niemand würde je vermuten, dass Mr. O'Keefe der Mann in der Gasse sei, der ein Mädchen küsste. Sie hatte ihr Verhalten für die richtige List gehalten, falls die Passanten doch zum Mob gezählt hätten.
Auf diese Weise hatte sie noch nie einen Mann geküsst und ganz gewiss nicht damit gerechnet, der Kuss könne ihr etwas bedeuten. Daher war es ein Schock für sie, als ihre Sinne bei der Berührung von Mr. O'Keefes Lippen in Aufruhr gerieten. Die Gefahr des Augenblicks, dazu der hungrige, unverhohlen begierige Kuss raubten ihr den Atem und machten sie in Mr. O'Keefes Armen willig und gefügig.
Devlin war durch ihre listiges Verhalten vollkommen überrascht worden und hatte ihr sagen wollen, das sei sehr einfallsreich von ihr gewesen. Er kam jedoch nicht dazu, denn die ungestüme Umarmung machte ihn sprachlos. An sich hätte es sich dabei um Vortäuschung falscher Tatsachen handeln sollen. An sich sollten dadurch Passanten zu der Annahme verleitet werden, er schäkere unerlaubt mit einer sich in der Hintergasse feilbietenden Frau. Die Ge-fühle, die er empfand, waren indes alles andere als niedere Gelüste.
Von diesem Moment hatte er in den vergangenen Tagen geträumt. Doch selbst in seinen kühnsten Träumen war er nie der wundervollen Wirklichkeit auch nur nahe gekommen. Er hielt Miss Magee tatsächlich in den Armen, und der Kuss, den sie ihm gab, war das Herrlichste, das er je erlebt hatte. Er hatte, während ihrer beider Lippen sich wieder und wieder fanden, keinen Zweifel daran, dass er keine andere Frau auf der Welt haben wollte. Das wurde ihm im selben Augenblick klar, da er begriff, dass er sie nicht ausnutzen durfte. Er hatte ihr nichts zu bieten und konnte ihr keine schöne Zukunft verheißen. Er hatte nichts, nicht einmal seine Freiheit.
In der finsteren Gasse schwor er sich, irgendwie seine Unschuld zu beweisen und sich von jedem Verdacht reinzuwaschen. Er musste Miss Magee beweisen, dass er eines so schrecklichen Verbrechens nicht fähig war. Er wollte ihr volles Vertrauen haben.
Nachdem das Paar weitergegangen war, löste er sich von ihr. Beide starrten sie sich staunend an. Es war Molly, die zuerst zu sich kam, als sie den Lärm des Mobs hörte.
Die Erkenntnis, in welcher Gefahr Mr. O'Keefe war, dazu die Tatsache, dass sein Leben auf dem Spiel stand, veranlassten sie zu sofortigem Handeln.
„Kommen Sie! Wir müssen uns beeilen!" Sie riss den Blick von ihm los, ergriff ihn wieder bei der Hand und schritt mit ihm auf die Kreuzung.
Leise ging man durch die jetzt leere Straße, sorgsam darauf achtend, nicht gehetzt zu wirken, damit man kein Aufsehen erregte. Molly und Devlin waren angespannt und auf der Hut. Beide waren entsetzt, als sie die Straße hinunterblickten, und ungefähr fünfundzwanzig betrunkene Männer sahen, die sich wütend vor dem Gefängnis versammelt hatten. Sheriff Macauley war nirgendwo zu sehen, doch sie
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