033
wollte Molly wissen. Die plötzliche Veränderung in seinem Verhalten machte sie nervös. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
„Es sieht ganz danach aus, dass einige Hitzköpfe im Sa-loon glauben, Sie müssten zur Selbsthilfe greifen und dem Gesetz Geltung verschaffen."
„Sie meinen ..."
„Die Leute wollen Mr. O'Keefe lynchen", sagte der Sheriff ausdruckslos. „Meinem Informanten zufolge sind sie bereits auf dem Weg hierher."
„Nein!" rief Molly entsetzt und schaute zu Mr. O'Keefe hinüber. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Sie hatte von solchen Vorfällen gehört und der damit verbundenen Grausamkeit und konnte den Gedanken nicht ertragen, ihm stehe ein solches Schicksal bevor.
Beim Zuhören hatte Devlin sich an die Gitterstäbe geklammert und bei der Erklärung des Sheriffs die Finger so stark darum gekrümmt, dass sich die Haut weiß über den Knöcheln spannte. Er hatte damit gerechnet, dass es in absehbarer Zeit mit ihm zu Ende sein würde, indes
nicht erwartet, das könne schon an diesem Abend der Fall sein.
„Hören Sie, Miss Magee. Ich will, dass Sie sich aus der Hintertür stehlen und Mr.
O'Keefe mitnehmen. Bringen Sie ihn irgendwo in Sicherheit und verstecken Sie ihn, bis ich ihn hole."
„Ich will nicht, dass Miss Magee in diese Sache mit hineingezogen wird", wandte Devlin ein. „Verdammt, das ist viel zu gefährlich. Sie könnte ..."
„Seien Sie still, Mr. O'Keefe", unterbrach ihn der She-riff. „Sie sind in meiner Obhut, und Ihre Sicherheit obliegt mir." Er schaute das junge Mädchen an. „Ich kann nicht garantieren, Miss Magee, dass er morgen früh noch am Leben ist, wenn Sie ihn jetzt nicht mitnehmen."
„So ernst ist die Lage?" fragte sie.
„Ja, sie ist so ernst. Also, werden Sie tun, was ich Ihnen gesagt habe? Kann ich mich auf Sie verlassen?" Mr. Macauley schaute sie an und versuchte, ihre Miene zu ergründen.
Sie blickte zu Mr. O'Keefe, der wie ein gefangenes Tier in seiner Zelle stand, und wusste, er hatte keine Überlebenschance, falls der Mob am Sheriff vorbeigelangte.
Sie überlegte, ob sie Mr. O'Keefe trauen könne, und brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um eine Entscheidung zu treffen. Er benötigte ihre Hilfe, und nachdem er so viel für sie getan hatte, durfte sie nicht weniger für ihn tun.
„Ja, ich bin einverstanden. Was genau soll ich machen?"
„Verschwinden Sie mit ihm durch die Gasse und verbergen Sie ihn, bis wieder Ruhe herrscht. Trauen Sie sich
das zu?"
„Ja", antwortete sie entschlossen.
Der Sheriff richtete den durchdringenden Blick auf den Gefangen, während er die Tür aufschloss. „Und wie ist es mit Ihnen, Mr. O'Keefe? Kann ich Ihnen trauen, oder werden Sie bei der ersten Gelegenheit fliehen?"
„Ich werde nicht fliehen", antwortete Devlin und schaute dem Sheriff dabei in die Augen.
Mr. Macauley nickte knapp und zögerte nicht mehr, die Tür weit aufzureißen und den Gefangenen freizulassen. Von fern drang der Lärm einer betrunkenen Menschenmenge zu ihm, und plötzlich wurde laut an die Eingangstür geklopft.
„Verschwinden Sie, ehe die Leute zur Rückseite des Hauses kommen! Schnell!"
Molly sah Mr. O'Keefe an und hatte ihn zum ersten Mal ohne die trennenden Gitterstäbe vor sich. Zufällig schaute auch er sie an, und einen Moment lang starrten sie beide sich in stillem Einverständnis an, ehe sie die Hand nach ihm ausstreckte. Er nahm ihr weiche kleine Hand in seine große schwielige.
Der Sheriff ging ihnen voraus und schloss die Hintertür auf. „Seien Sie vorsichtig, Miss Magee!"
„Geben Sie auf sich Acht, Sheriff!" flüsterte sie, während sie Mr. O'Keefe aus dem Gefängnis in die dunkle Gasse zog. Sie hielt immer noch das Geld in der Hand, das er ihr gegeben hatte.
„Vielen Dank, Sheriff Macauley", sagte Devlin.
Mr. Macauley sah ihn und Miss Magee in den Schutz der Nacht verschwinden, schloss dann die Tür und versperrte sie. Anschließend löschte er alle Lichter im Haus und bereitete sich auf die wütende Schar von Betrunkenen vor, die Selbstjustiz üben wollten.
Die Gasse war stockfinster. Molly und Mr. O'Keefe rannten Hand in Hand vom Gefängnis fort. Sie war mit der Gegend vertraut und sorgte dafür, dass man in die entgegengesetzte Richtung des sich nähernden Mobs lief. Devlin blieb dicht hinter ihr. Der Lärm der Menge war etwas leiser geworden, als man eine Straßenkreuzung erreicht hatte. Doch noch waren weder Devlin noch Molly in der Lage, sich etwas zu entspannen. Sie verlangsamte die Schritte,
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