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Trottel gemacht zu werden. Abgesehen von der persönlichen Demütigung machte er sich auch Mr. Marlows wegen Sorgen. Noch hatte er dem reichen Yankee nichts vom Verschwinden seiner Tochter erzählt und auch nicht die Absicht, das zu tun. Es hing zu viel davon ab, dass die angekündigte Ehe geschlossen wurde. Er konnte nicht das Risiko eingehen, Mr. Marlow zu verärgern, so dass dieser Abstand von dem bereits vereinbarten Handel nahm. Das Abkommen war sehr wichtig für ihn, da er dadurch dafür sorgen wollte, dass sein Eigentumsanspruch auf die Hazienda nicht vor einem amerikanischen Gericht angefochten und ihm womöglich entzogen wurde. Das war mehreren seiner Freunde widerfahren. Ihm sollte das jedoch nicht passieren. Zwar liebte er die Tochter, aber die Hazienda war sein ganzer Lebensinhalt.
Nervös schritt er zur Anrichte, schenkte sich eine beträchtliche Menge Whisky in ein Glas und nahm einen langen Schluck. Dann ging er rastlos hin und her und dachte daran, dass er es nicht gewohnt war, nicht die Kontrolle über jede Situation zu haben. Doch genau das war der Fall, bis man Reina gefunden und zu ihm zurückgebracht hatte.
Bei dem Gedanken an seine aufsässige Tochter fluchte er wieder laut und fragte sich, wie sie es hatte wagen können, sich, nachdem ein einziges Mal etwas von ihr verlangt worden war, gegen ihn aufzulehnen. Schließlich hatte er stets versucht, ihr in jeder Hinsicht ihren Willen zu lassen. Jetzt begriff er, dass es ein großer Fehler gewesen war, sie derart zu verwöhnen. Er gedachte jedoch, ihn mit allen Mitteln zu beheben, sobald sie wieder bei ihm war. Er würde sie lehren, dass niemand sich ungestraft erdreisten durfte, ihm Widerstand zu leisten. Niemand!
Er leerte das Glas bis zur Neige, stellte es ab und verließ den Raum in der Absicht, sich der Arbeit auf der Hazienda zu widmen. Er hoffte, die Ablenkung würde ihn daran hindern, ständig an seine Tochter zu denken und an die Angst, Mr. Marlow könne von ihrem Verschwinden erfahren, ehe sie gefunden und zurückgebracht worden war.
Ein breites, zufriedenes Lächeln lag um Nathan Marlows schmale Lippen, und seine blauen Augen leuchteten triumphierend auf, während er Lilly mit einem Glas Champagner zuprostete. „Alles verläuft ganz nach Plan. In knapp sechs Monaten wird die Alvarez-Hazienda so gut wie mir gehören!" sagte er in zuversichtlichem, beinahe arrogantem Ton.
Lilly Bascomb war eine hoch und üppig gewachsene rothaarige Frau, die im Salon ihres prächtigen, am Rand von Monterey gelegenen Hauses auf dem Kanapee saß und begierig jedem Wort aus Nathans Mund lauschte.
Sie lachte kehlig und prostete ihrerseits Nathan zu. „Du bist ein Genie. Ich gebe jedoch zu, dass ich anfänglich Zweifel hatte. Mister Alvarez war Amerikanern gegenüber immer sehr feindselig eingestellt, und ich habe befürchtet, es könne dir nicht möglich sein, seine Denkungsart zu ändern. Aber das hast du wie immer wunderbar geschafft. Wie ist dir das gelungen, Liebling?"
„Das war wirklich sehr einfach", antwortete er gedehnt. „Man muss nur herausfinden, was jemand am meisten schätzt, und ihm dann drohen, es ihm wegzunehmen. Danach beginnt man, mit ihm zu verhandeln." Nathans Miene wurde verschlagen und sein Lächeln süffisant.
„Nun, das beweist nur, wie unterschiedlich Männer und Frauen denken", murmelte Lilly verständnisvoll.
„Ach, ja?" erwiderte Nathan neugierig und trank einen Schluck Champagner.
„Ja, Liebling", antwortete sie spröde. „Wenn ich solche Pläne schmiede, wie du das getan hast, dann finde ich erst heraus, was der Betreffende sich am meisten wünscht, und gebe es ihm."
„Hast du mich auf diese Weise in deinem Netz verstrickt?" wollte Nathan wissen, und in Erinnerung an die mit ihr geteilte Leidenschaft verdunkelte sich sein Blick.
Ein leicht selbstzufriedenes Lächeln erschien um ihre Lippen, als sie kühl erwiderte:
„Ich habe kein Netz, Nathan. Du weißt, du kannst kommen und gehen, wie es dir passt." Sie war sich bewusst, dass er ein Mann war, der ungebunden sein wollte.
Daher belastete sie die Beziehung zu ihm nicht mit Forderungen. Sie genoss seine Gesellschaft, ohne sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Da sie eine reiche Witwe war, musste sie kein zweites Mal heiraten und wollte das auch nicht.
„Ja, ich weiß", erwiderte Nathan, nahm ihr das Glas ab und stellte es neben seins.
„Ich habe vor, der reichste Mann von ganz Kalifornien zu werden, Lilly, und dabei will ich dich an meiner Seite
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