033
versprach Emilie. „Und mach dir keine Sorgen. Dein Vater wird sich eines anderen besinnen. Alles kommt in Ordnung.
Verlass dich darauf."
Spontan umarmten die beiden Freundinnen sich herzlich.
„Das hoffe ich, Emilie", erwiderte Reina. Nachdem die Tür hinter der Freundin zugefallen war, wiederholte sie, sich eigenartig unruhig fühlend: „Das hoffe ich wirklich!"
Die himmlische Gestalt schwebte im dunstigen Dämmerlicht vor Clay. Wenngleich sie vollständig mit einem losen, wehenden Gewand bekleidet war, strahlte sie etwas Verführerisches und Erregendes aus. Sie hatte die schlanken Arme gehoben und winkte ihn näher zu sich.
Er wollte zu ihr gehen, sie in den Armen halten und unbedingt küssen, die wundervollen Wonnen erleben, die er, wie er wusste, in ihren Armen finden würde.
Aus einem ihm unbekannten Grund konnte er sich jedoch weder bewegen noch sprechen. Eine unsichtbare Macht hielt ihn fest, so dass er die Frau nur sehen und sich verzweifelt nach ihr sehnen, sie jedoch nicht erreichen konnte.
Sie rief seinen Namen. Der so weiche, bezaubernde Klang ihrer Stimme hüllte ihn betörend ein und verstärkte sein bereits brennendes Verlangen. Ihre Stimme hatte ihm vertraut geklungen, und dennoch . . .
Er bemühte sich, die unsichtbaren Fesseln abzustreifen, die ihn festhielten, während er sich fieberhaft zu erinnern versuchte, wie der Name dieser geheimnisvollen Verführerin lautete. Er wusste, wenn er sie beim Namen rufen konnte, würde sie zu ihm kommen. Er spannte die Muskeln an, und der Schweiß trat ihm auf die Stirn, während er gegen die unsichtbare Macht ankämpfte, die ihn nicht freigab. Er leistete Übermenschliches, doch seine Anstrengungen waren vergebens, und die Frau begann, sich von ihm zu entfernen. Die Arme hielt sie noch immer nach ihm ausgestreckt, und sie rief weiterhin seinen Namen, doch er konnte ihr nicht antworten. Er war gefangen. Er saß in einer Falle. Er konnte nicht mehr tun, als in ohnmächtiger Verzweiflung zu beobachten, wie die Frau ihm entzogen wurde.
Der Aufruhr der Gefühle, in den er im tiefen Schlaf geraten war, machte ihn jäh wach. Schweißnass und keuchend setzte er sich ruckartig im Bett auf, starrte in die Dunkelheit und versuchte, die chaotischen, durch den Traum hervorgerufenen Bilder zu begreifen, die ihm nicht aus dem Sinn wichen. Angespannt und dennoch erschöpft, rieb er sich die Augen, um einen klaren Kopf zu bekommen, schwang dann die langen Beine über die Bettkante und blieb in dem nachtdunklen Raum eine Weile auf dem Lager sitzen.
Die Unbekannte, die er im Traum gesehen hatte, kam ihm sehr lebensecht vor, doch er war nicht fähig, sich ihres Namens zu entsinnen. Sie plagte seine Gedanken und regte mit ihrer stimulierenden Anwesenheit sein Unterbewusstsein an. Er vermochte indes nicht, ihre Identität herauszufinden, und das enervierte ihn. Er bemühte sich, ihr Bild als ihm durch seine Einbildungskraft vorgegaukelt abzutun, denn er konnte sich nicht erinnern, je so starke Gefühle für eine Frau empfunden zu haben. Derweil er jedoch hilflos in der Dunkelheit saß, ließ er die Gedanken schweifen. Er erinnerte sich an Schwester Maria Regina und die Nacht in der Umspannstelle. Das sinnliche Bild, wie sie sich, vor dem Herd sitzend, das Haar bürstete, kehrte ihm ins Gedächtnis zurück, und allein die Erinnerung an diese Nacht erregte ihn. Aufstöhnend stand er auf und zog sich die Hosen an.
Wie ein gefangenes Tier schritt er rastlos im Raum auf und ab. Nach einem Moment blieb er vor dem Fenster stehen, zog den schweren Samtvorhang beiseite und starrte auf die vom Mond beschienene, in ihrer Schönheit beru-higende Landschaft. Es beunruhigte ihn zutiefst, so verdorben zu sein, dass er überhaupt von Schwester Maria Regina als Verführerin hatte träumen können.
Nervös fuhr er sich durch das vom Liegen im Bett zerzauste Haar und ärgerte sich über seine Charakterschwäche. Die Nonne war die einzige wirklich herzensgute Frau, die er je im Leben kennen gelernt hatte. Er wollte nicht mehr über die unglaublich sinnliche und dennoch harmlose Begegnung mit ihr nachdenken. Zum Glück war Schwester Maria Regina sich seiner Gefühle nicht gewahr geworden. Sie war eine keusche, tugendhafte Frau, und er wusste, er erwies ihr einen schlechten Dienst, wenn er auch nur an diese Nacht dachte und daran, wie schön Schwester Maria Regina ausgesehen hatte.
Er war gewohnt, sich zu beherrschen, und folglich ärgerte es ihn, dass er sich die Nonne nicht restlos aus
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