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überquerte die belebte Straße, schlug den Weg zum Gefängnis ein und überlegte, ob Mr. O'Keefe wirklich schuldlos sei. Warum hielt nicht auch sie ihn für schuldig, da doch alle Welt in der Stadt überzeugt war, dass er Señor Santana ermordet hatte?
In der Gefängniszelle lag Devlin auf dem harten, unbequemen Lager, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und starrte leeren Blicks an die Decke des Raums. Zu Beginn der Haft hatte er sich heftig gegen die Ungerechtigkeit gewehrt, eingesperrt zu sein.
Im Verlauf der langen Wochen hatte er jedoch begriffen, dass er nicht mehr Herr über sein Schicksal war, und sich in Geduld und Selbstbeherrschung geübt. Er wollte nicht in Panik geraten. Nur Clay konnte ihm jetzt noch helfen. Nur Clay.
Devlin dachte an das letzte Gespräch mit dem Freund, bevor dieser aus der Stadt geritten war. Er hatte ihm berichtet, wie er von Mr. Alvarez dazu erpresst worden war, die Suche nach dessen Tochter aufzunehmen, und dass der Kalifornier versprochen hatte, ihm, Devlin, werde während seiner Abwesenheit aus Monterey nichts passieren. Es hatte ihn ungemein erleichtert zu hören, dass man ihn nicht unverzüglich eines Verbrechens wegen, das nicht von ihm begangen worden war, aufknüpfen werde. An der Sachlage hatte das jedoch nicht viel geändert. Er saß noch immer in der sechs mal sechs Fuß messenden Gefängniszelle fest und konntes nicht erwarten, bald herauszukommen.
Nur sein unerschütterlicher Glaube an den Freund und die täglichen Besuche Miss Magees, einer hübschen jungen Frau, die aus einem Restaurant das Essen ins Gefängnis brachte, bewahrten ihn davor, den Verstand zu verlieren. Der Gedanke an die hübsche Miss Magee erregte ihn, und unwillkürlich lächelte er schwach, während er sich ihr Bild ins Gedächtnis rief. Ihr Haar war weder rot noch kastanienbraun, sondern hatte eine dazwischenliegende Farbe, die man einen satten Kupferton hätte nennen können. Ihr heller Teint wurde besonders durch die Sommersprossen auf ihrer Nase hervorgehoben. Sie hatte grüne Augen, eine schlanke und immer noch etwas mädchenhafte Figur, die sich jedoch bereits fraulich rundete. Sie war schüchtern und selten auf die Avancen eingegangen, die er in seiner charmantesten Art gemacht hatte, um sie in ein Gespräch zu ziehen. Es beunruhigte ihn, dass sie dauernd versuchte, den Blick abgewandt zu halten, ganz so, als fürchte sie sich vor etwas.
Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, die er durch das kleine, vergitterte Zellenfenster sehen konnte, musste es kurz vor Mittag sein. Bald würde Miss Magee mit dem Essen kommen. Aus dem Büro herüberdringende Stimmen bestätigten Devlin die Tatsache, dass Miss Magee eingetroffen war, und er sehnte sich danach, sie wieder zu sehen.
Ace Denton, ein hoch gewachsener, dunkelhaariger und primitiv aussehender Mensch, dessen Verbrechen in Kalifornien schon legendär waren, saß in der Gefängniszelle nebenan. Er war ein hässlicher Mensch, der ein noch hässlicheres Wesen hatte, und im Gegensatz zu Devlin nicht froh darüber war, dass der Tag bereits zur Hälfte verstrichen war. Sein Prozess war tags zuvor am Nachmittag beendet worden, und man hatte ihn seiner Verbrechen wegen zum Tod durch den Strang verurteilt. Die Hinrichtung war für den nächsten Vormittag angesetzt, und je mehr die Stunden verstrichen und der Zeitpunkt nahte, an dem Ace Denton vor seinen Schöpfer treten sollte, desto nervöser und verzweifelter wurde der Verbrecher. Er hatte nicht vor zuzulassen, dass man ihn hängte. Auf gar keinen Fall!
Die Stimme des Mädchens, das mit dem Essen eingetroffen war, brachte ihn auf einen Gedanken, und ein tückischer Ausdruck erschien in seinen Augen. Er wusste, dass es großer Dreistigkeit bedurfte, um freizukommen, doch er war bereit, jeden Preis zu zahlen, um fliehen zu können. Er täuschte vor, Miss Magees Gegenwart sei ihm gleich, und wartete auf den richtigen Zeitpunkt.
„Hier ist Ihr Essen", verkündete Molly, während sie den Gang vor den beiden Gefängniszellen betrat.
Zur Begrüßung stand Devlin auf. „Was haben Sie mir heute gebracht, Miss Magee?"
erkundigte er sich und schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln.
„Stew", antwortete sie kühl. Sie wollte nicht von ihm in ein Gespräch verwickelt werden, falls Sheriff Macauley Mrs. Harvey gegenüber plaudern sollte.
„Stew ist eins meiner Lieblingsgerichte", erwiderte Devlin und nahm ihr den Behälter ab. Er machte den Deckel auf und sah auf das Essen. „Das riecht wunderbar,
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