0330 - Die lebende Legende
einem schiefen Blick an. »Das glaube ich Ihnen sogar.« Dann bückte er sich, um den Bewußtlosen zu untersuchen.
Dessen Gesichtsschutz war verrutscht. Wir konnten erkennen, daß es sich bei dem Mann um einen Japaner handelte.
»Der Tote ist ebenfalls Japaner«, sagte ich.
Gomez richtete sich wieder auf. Er kniff ein Auge zu und schaute uns mit dem anderen an. »Das ist alles sehr seltsam«, erklärte er.
»Wollte man Ihnen ans Leder?«
»Es kann sein.«
»Dann hatten die Leute auch einen Grund.«
»Möglich.«
»Sagen Sie ihn schon.«
»Ich weiß es nicht. Aber es scheint sich herumgesprochen zu haben, daß wir in der Stadt sind.«
Gomez verlor das Interesse an mir und wandte sich Yakup Yalcinkaya zu. »Ich habe mich ein wenig über Sie erkundigt. Ihre Freundin wurde doch umgebracht.«
»Das stimmt, Sir.«
»Suchen Sie den Mörder?«
»Ich wüßte gern, wer sich für diese ruchlose Tat verantwortlich zeigt.«
»Ein Fall mit Folgen«, meinte Gomez und strich über seinen dichten Oberlippenbart.
»Wieso, Sir?«
»Die uniformierten Kollegen wurden telefonisch auf eine Leiche hingewiesen, die in einer Dachwohnung lag. Es war eine ältere Frau. Ich bekam die Meldung zufällig mit. Seltsam ist nur, daß es genau die Frau gewesen ist, die ihrer Freundin die Wohnung vermietet hat. Zufall oder Absicht?«
»Das wissen wir nicht, Sir.«
»Sie haben nicht zufällig angerufen?« Damit fragte er mich.
»Wen?«
Der FBI-Agent winkte ab. »Schon gut. Wir kommen später noch darauf zu sprechen.«
Mir ging es gegen den Strich, daß wir uns mit diesen Dingen herumschlagen mußten, aber es war nun nicht zu ändern. Ich wußte ja, was kam. Protokolle, Verhöre, Schreibereien, das alles hielt auf, wahrend der Gegner wieder neue Kräfte sammeln konnte.
Im Hotel wurde die Befragung nicht durchgeführt. Wir fuhren in Gomez’ Büro. Es lag ziemlich hoch. Durch das Fenster fiel der Blick auf den Hafen. Dort irgendwo mußte sich Suko herumtreiben.
Wir bekamen Platz angeboten und Eiswasser zu trinken. Auch lernten wir Gomez’ Kollegen kennen, einen Mann namens Myer, der aussah, als wäre sein Vater eine Bulldogge gewesen. Zwei breite Träger hielten seine Hose, die sich über dem Bauch spannten. Der stupsnasige Revolver an der Hüfte fiel kaum auf.
Myer hatte den Charme eines Nilpferds. Zudem roch er nach Schweiß.
Seine Haare besaßen die Länge von Streichhölzern. Mit uns sprach er nicht. Er hockte hinter dem zweiten Schreibtisch und schaute uns an, als wollte er uns fressen.
»Wann kommt denn Ihr Kollege zurück?« fragte ich.
»Keine Ahnung.«
»Lange bleiben wir hier nicht sitzen.«
Er lachte bellend. »Sie müssen, Mister, Sie müssen. Ob Kollege oder nicht, das spielt keine Rolle. Irgendwie scheinen Sie dicker als dick mit drinzuhängen und…«
Gomez stieß die Tür auf und kam. Er schwenkte ein Blatt Papier in der rechten Hand. Die Jacke hatte er ausgezogen.
»So ein unbeschriebenes Blatt scheinen Sie hier nicht einmal zu sein, Sinclair«, erklärte er.
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Die Vorgänge in Pine Bluff sind noch in bester Erinnerung. Da haben Sie ja aufgeräumt.« [1]
»Es ließ sich nicht vermeiden. Fragen Sie den dortigen Sheriff. Dann wissen Sie Bescheid.«
»Und jetzt hacken Sie hier in Frisco herum.«
»Hacken ist wohl nicht der richtige Ausdruck.«
»Was dann?« Gomez hatte sich wieder hinter seinen Schreibtisch gehockt, während Yakup und ich auf den Arme-Sünder-Stühlen saßen.
»Wir haben uns nur gewehrt.«
»Ja, so kann man es sehen. Und wogegen?«
»Es waren Japaner.«
»Das weiß ich. Dabei frage ich mich nur, aus welchem Grunde Sie Ihnen ans Leder wollten?«
»Sprechen Sie mit dem Gefangenen.«
»Das werden wir auch. Zuvor sind Sie an der Reihe, Kollege.« Das letzte Wort sprach er so aus, als wäre es ein Schimpfwort.
Ich hatte natürlich keine Lust, meine Karten auf den Tisch zu legen.
Das war unser Fall, zudem war er auch noch ziemlich vage. Konkret hatten wir eigentlich nicht viel in der Hand.
Gomez wechselte das Thema. »Wo steckt eigentlich ihr Begleiter, der Chinese?«
»Sie sprechen von Suko, meinem Kollegen?«
»Meinetwegen.«
»Er machte einige Besuche.«
»Aha. Und wo?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Suko besitzt in dieser Stadt zahlreiche Verwandte.«
»Die Chinks sind ja alle miteinander verwandt«, meldete sich Myer aus dem Hintergrund.
»Das Wort Chink hätten Sie sich sparen können, Mister.«
»Reg dich ab.«
»Kommen
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