0330 - Die lebende Legende
noch in Deckung der Mauer.
Yakup kannte die unmittelbare Umgebung des Klosters. Im Gegensatz zu mir, deshalb schaute ich um die Ecke und sah vor mir einen wohlgeschnittenen Rasen liegen, der zu dem klotzartigen weißen Gebäude leicht anstieg.
Eine freie Fläche ohne Deckung.
Yakup ahnte meine Gedanken und sagte: »An der Rückseite sieht es auch so aus.«
»Dann müssen wir wohl in den sauren Apfel beißen.«
»Sicher.«
Sekunden später betraten wir das Gelände…
***
Suko und Chu Weng saßen zusammen. Gesprochen wurde zwischen ihnen nicht viel. Sie tranken Tee. Diener hatten aufgeräumt.
Es stand alles wieder so, wie es zuvor gewesen war. Die Überreste der Zombies hatte man in das Hafenbecken geworfen.
Obwohl sich Suko selbst als einen ruhigen Menschen bezeichnete, wunderte er sich doch über die Gelassenheit des wesentlich älteren Mannes. Er saß da und schaute in die Ferne. Seine Augen besaßen keinen leeren Ausdruck. Sehr wohl dachte Chu Weng über irgend etwas nach, aber seine Gedanken behielt er für sich.
»Du bist nervös!« Urplötzlich unterbrach er das Schweigen. Sogar Suko zuckte zusammen.
»Wie kommst du darauf?«
»Das merke ich dir an. Du hast nicht mehr die Ruhe wie früher, als du noch Schüler warst.«
»Nein, das ist vorbei.«
»Wie kommt es?«
Suko hob die Schultern. »Es ist das Leben, das ich führe. Immer bereit zu sein, einer tödlichen Gefahr ins Auge zu sehen, ist nicht gerade fördernd für die Nerven.«
»Ja, mein Freund. Es gibt Dinge, die für uns Asiaten nicht geschaffen sind. Wir kommen aus einem anderen Land, fast aus einer anderen Welt, und so wirst du es schwer haben, mit der fremden Kultur fertig zu werden und deine eigene Überzeugung zu bewahren. Es wäre gut, wenn du einige Monate der Regeneration in einem Kloster verbringen könntest.«
»Das geht nicht.«
»Was spricht dagegen?«
»Die Arbeit. Du weißt, auf welcher Seite ich stehe. Dann lebe ich mit einer Frau zusammen…«
»Shao, ich weiß…«
»Sicher. Sie wird es nicht wollen, wenn ich mir diese Pause gönne. Allein gönne.«
Chu Weng nickte. »Das ist einer deiner Fehler, Suko. Wenn man solche Aufgaben übernimmt, wie du es getan hast, bleibt man allein. Man sollte sich nicht binden.«
Suko lächelte schmerzlich. »Das weiß ich alles. Dennoch habe ich es getan. Ich bin auch nur ein Mensch.«
»Aus diesem Grunde sei dir verziehen. Wir alle sind Menschen und viel zu schwach. Auch ich besitze mehr Schwächen als Stärken. Vielleicht wird sich das Verhältnis in einem anderen Leben umkehren. Möglicherweise schon sehr bald.«
»Rechnest du mit deinem Tod?« fragte Suko.
»Schon seit meiner Geburt.«
Es waren Antworten, die für einen Europäer oder Amerikaner wohl kaum verständlich waren, aber Suko wußte genau, was damit gemeint war.
Chu Weng kam wieder zur Sache. »Wenn es Shimada geschafft hat, seine Dimension zu verlassen, müssen wir alles daransetzen, um ihn zu töten. Er ist uralt, und er wird stets von Untoten Samurais und Ninja begleitet. Sie auszuschalten, ist unser größtes Problem. Aber wir werden es lösen.«
»Gibt es eine Waffe, die Shimada umbringt?«
»Die soll es geben. Nur muß man sie finden. Und sie ist wirkungslos, solange Shimada den Fächer besitzt. Wenn ihn die Sonnengöttin Amaterasu zurückbekommen hat, wird sie dem Überbringer des Fächers erklären, wo er die Waffe finden kann, die Shimada tötet. So einfach ist es, so steht es geschrieben.«
»Da hätte ich vielleicht doch Shao mitnehmen sollen«, murmelte Suko.
»Sie ist nämlich…«
»Ich weiß es«, sagte Chu Weng. »Denk immer daran, daß diese Welt sehr klein ist.«
Das Telefon meldete sich. Chu Weng krauste die Stirn, griff mit einer sanft wirkenden Geste zum Hörer und meldete sich. Sein Gesicht blieb weiterhin unbewegt, so daß Suko aus den Zügen nicht lesen konnte, welch eine Nachricht sein Gegenüber bekommen hatte. Er erwiderte einige Worte, die Suko aufhorchen ließen.
»Wir werden uns bereitmachen.« Danach legte der greise Mann auf und blickte Suko nachdenklich an.
Dem Inspektor brannte eine Frage auf der Zunge, er schluckte sie herunter, denn er wußte genau, daß Chu Weng Ungeduld haßte.
Der alte Mann legte seine Hände übereinander und schaute auf die schmalen Finger mit der dünnen Haut, die zahlreiche, braune Altersflecken zeigte.
»Es ist soweit«, erklärte er. »Ich erhielt den Anruf eines Vertrauten. Shimada sammelt seine Schergen.«
»Und wo?«
»Es wird
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