0333 - Einer blieb übrig
Freund. Wir leerten den Papierkorb aus, aber auch der war unergiebig. Sein Inhalt bestand aus Papierfetzen und Umschlägen sowie Reklamedrucksachen.
Mr. Bowman hatte alles, aber auch alles mitgenommen, was ihm gehörte. Wenn er nicht selbst der Erpresser war und den Senator geschickt an der Nase herumgeführt hatte, so musste er mit dem Gangster eng zusammengearbeitet haben. Wahrscheinlich war der Mord an Dodwin mit seinen Folgen unprogrammmäßig gewesen und hatte ihn veranlasst, schleunigst zu verschwinden.
Was die Kinderpflegerin anging, so hätte er sich wahrscheinlich darauf herausreden können, er sei selbst auf sie hereingefallen. Aber ein Mord an einem G-man musste die schärfste Reaktion aller Behörden zur Folge haben, und dabei wäre wahrscheinlich mehr über Mr. Bowman herausgekommen, als ihm lieb war.
Wir telefonierten ins Office und baten darum, Spurensucher, Fingerabdruckleute und meinen Kameraden Buttler mit seinem fahrbaren Laboratorium zu schicken.
Wie ich gefürchtet hatte, fand sich jedoch kein deutlicher Fingerabdruck, mit Ausnahme meiner eigenen. Natürlich gab es eine Menge Prints auf den Papierfetzen, aber die waren verwischt und unleserlich.
Es wurde halb sieben, bis wir fertig waren. Ich hatte nun sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen und war todmüde. Phil musste den Fall vorläufig in die Hand nehmen. Ich setzte ihn am Office ab und bat ihn dringend, Carlo Scillo, den geschiedenen Mann Sophias, aufzusuchen. Das wenigste, was ich von ihm erwarten konnte, war Sympathie mit seiner so schwer geprüften Exgattin. Ich hoffte, diese Sympathie würde genügen, um seinen Mund zu öffnen.
Vielleicht würden wir von ihm etwas erfahren, das Licht in diese mysteriöse Affäre bringen konnte. Es war auch höchste Zeit. Mit jeder Stunde, die verging, vergrößerte sich die Gefahr für den kleinen Bill.
***
Bericht von Phil Decker: Wie ich mit Jerry verabredet hatte, fuhr ich zur Palisade Avenue, um Carlo Scillo zu beschnuppern. Ich glaubte nicht daran, er sei für die Entführung und damit automatisch für die im Zusammenhang damit begangenen drei Morde verantwortlich. Als ich aber den Stadtplan zur Hand nahm, um festzustellen, wo die mir bis jetzt unbekannte Palisade Avenue lag, und als ich sah, in welcher hochvornehmen Gegend Mr. Scillo wohnte, kamen mir leise Bedenken.
Er hatte eine Vertretung, sicher sogar eine recht gute. Aber in der Palisade Avenue kostet ein Apartment mindestens dreihundert Dollar im Monat. Ich zweifelte nicht daran, dass sich auch sein Lebensstandard diesem Apartment anpasste, und dazu brauchte man mehr Geld, als der tüchtigste Vertreter verdienen kann.
Als ich um acht Uhr vor dem Apartmenthouse Palisade Avenue 175, das am Riverdale Park lag, stoppte, wurde meine Vermutung über die Höhe der Miete bestätigt. Es war ein echtes Renommiergebäude. Es hatte zwölf Stockwerke, eine Unmenge Balkons, die von griechischen Göttinnen aus Stein getragen wurden, und sechs dorische Säulen bewahrten eine riesige, marmorne Aphrodite über dem imposanten Portal davor, hinunter auf die Straße zu fallen.
Die Halle war groß und ganz in Weiß gehalten. Nur der Pförtner passte nicht hinein. Er war, wie die meisten seiner Gilde, ein ältlicher Knabe, der in einem blauen, an den Ellbogen und Knien glänzenden Anzug steckte und einen tabakgelben Schnauzbart hatte.
Vorsichtshalber fragte ich noch mal, wo Mr. Scillo wohnt, und fuhr hinauf zum fünften Stock, in dem sein Apartment lag.
Es klingelte. Etwas klappte, und ich sah, wie ein Auge durch den Spion spähte.
Die Tür wurde auf gerissen und vor mir stand Mr. Carlo Scillo. Er trug einen bordeauxfarbenen Morgenrock und eine 32er Smith & Wesson in der rechten Hand.
»Keinen Schritt oder ich schieße Sie über den Haufen«, zischte er mich an. »Ich habe genug von Onkel Blackpoints Gangsterbanden.«
Ich blieb verdutzt stehen. Offenbar war es ihm ernst, aber, trotzdem hatte ich keine Lust, mich so ohne Weiteres abservieren zu lassen.
»Ich habe nichts mit Blackpoint zu tun, und ich bin kein Gangster. Ich heiße Decker und bin G-man«, sagte ich. Aber das machte nicht den geringsten Eindruck auf ihn.
»Ab mit dir, du Schnüffler« herrschte er mich an.
Ich wollte in die Tasche greifen, um ihm meinen blaugoldenen Stern zu zeigen, aber auch damit war er nicht einverstanden.
»Behalte die Finger da, wo ich sie sehen kann«, schnauzte er. »Ich…«
In der Aufregung hatte er die Pistole etwas sinken lassen. Ich benutzte die
Weitere Kostenlose Bücher