034 - Der Hexer
möchte wissen, was die Jungen gegen ihn hatten. Die Wärter allerdings taugen alle nichts.«
Messer schaute ihn kalt an.
»Hackitt, wenn Sie Ihre Stelle behalten wollen, dürfen Sie nicht sprechen, ohne gefragt zu werden.«
»Verzeihung!« brummte Hackitt gutmütig. »Ich bin von Natur aus so veranlagt.«
»Dann lassen Sie Ihre Geschwätzigkeit an jemand anderem aus!« fuhr ihn Messer an.
Sam verließ mit dem Tablett das Zimmer, kehrte jedoch nach wenigen Minuten mit einem länglichen, gelben Kuvert zurück. Messer riß ihm den Brief aus der Hand und überflog die Aufschriften. Der Umschlag trug den Vermerk: ›Sehr eilig und vertraulich‹ und den Stempel von Scotland Yard.
»Wer hat dies gebracht?« fragte er.
»Ein Polyp«, antwortete Sam unbefangen.
Messer wies auf die Tür.
»Sie können gehen.«
Er wartete, bis sich die Tür hinter Hackitt geschlossen hatte. Dann öffnete er den Brief. Seine Hand zitterte.
›Sir,
ich habe die Ehre, Sie zu benachrichtigen, daß der Kommissar, Oberst Walford, C. B., Sie morgen vormittags um halb zwölf in seinem Büro in Scotland Yard zu sprechen wünscht. Die Angelegenheit ist sehr wichtig, und der Kommissar besteht darauf, daß Sie der Vorladung unbedingt Folge leisten. Sollte es Ihnen nicht möglich sein, zur angegebenen Zeit zu erscheinen, bitte ich um telefonische Nachricht. In dieser Erwartung ...‹
Eine Vorladung von Scotland Yard! Die erste, die Messer je erhalten hatte. Was bedeutete sie?
Er öffnete einen kleinen Wandschrank, nahm eine Weinbrandflasche heraus und goß ein Glas voll. Er ärgerte sich, weil seine Hand zitterte. Was wußte Scotland Yard? Was wollten sie wissen? Seine Zukunft, sogar seine Freiheit hingen von der Beantwortung dieser Frage ab. Aber diese Frage war gar nicht so leicht zu beantworten.
21.
Am nächsten Morgen kam Mary, wie Messer es gewünscht hatte, zeitiger ins Büro. Sie war erstaunt, daß Maurice schon aufgestanden war. Als sie eintrat, ging er, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab.
»Ich muß nach Scotland Yard«, berichtete er, »und dachte ...« Er zwang sich zu lächeln. »Vielleicht wollen Sie mich begleiten? Nicht in den Yard«, setzte er hastig hinzu, als er die Abneigung in ihrem Gesicht bemerkte. »Sie können in einer Konditorei oder sonstwo auf mich warten.«
»Aber warum nur, Maurice?« Seine Aufforderung kam ihr merkwürdig vor.
»Wenn Sie nicht mitzugehen wünschen, ist es nicht nötig, meine Liebe«, erwiderte er kurz. Fragen zu beantworten, war nicht seine Stärke. Doch änderte er sofort den Ton. »Ich möchte mit Ihnen über einige Dinge sprechen -Geschäftsangelegenheiten, bei denen ich Ihre Hilfe brauche.« Er trat an den Schreibtisch und nahm ein Schriftstück auf. »Hier sind die Namen und Adressen einer Anzahl von Leuten. Ich möchte, daß Sie diese Liste in Ihrer Handtasche aufheben. Die aufgeführten Herren sind zu benachrichtigen - ich meine, wenn es nötig sein sollte.«
Er konnte ihr nicht gestehen, daß er eine ruhelose Nacht verbracht hatte, und er konnte sie auch nicht wissen lassen, daß es sich bei den Namen, die er nach reiflicher Überlegung aufgeschrieben hatte, um wichtige Persönlichkeiten handelte, die für ihn unter gewissen Umständen bürgen konnten.
»Ich weiß nicht, was man von mir in Scotland Yard will«, bemerkte er und versuchte, unbekümmert zu erscheinen. »Vermutlich ist es eine geringfügige Angelegenheit, die sicher mit einem Klienten zusammenhängt.«
»Läßt man Sie oft kommen?« fragte sie arglos.
»Nein, es ist noch nie vorgekommen. Überhaupt ist es ganz ungewöhnlich, daß ein Rechtsanwalt vorgeladen wird.«
Messer besaß kein eigenes Auto. Keine Garage in der Nähe konnte ihm einen Wagen stellen, der seinem Geschmack genügte. Ein Rolls-Royce, den ihm schließlich ein Unternehmen im Westend schickte, war das Neueste und Vornehmste, was aufzutreiben war. Als sie damit losfuhren, standen die Bewohner der Flanders Lane voll Bewunderung und Neid vor den Haustüren. Messers Nervosität nahm zu, je weiter sie sich von Deptford entfernten. Er schwieg. Mary fragte ihn, ob er den Gefängnisbericht in der Zeitung gelesen hätte.
»Aufstand im Gefängnis?« fragte er zerstreut. »Nein - ja. Warum?«
»Es ist die Anstalt, in der Johnny ist. Es macht mir Sorge -Johnny ist so hitzköpfig. Wahrscheinlich hat er sich in etwas Dummes eingelassen. Kann man es nicht ausfindig machen?«
Messer zeigte plötzlich Interesse.
»Ist Johnny dort? Daran hatte ich
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