0341 - Die Nadel der Cleopatra
Es war Chiefinspektor Cavendish, ein grauhaariger Profi, der schon seine Jahre auf dem Buckel hatte und sich nichts vormachen ließ.
Er hatte früher auch zu den Kollegen gehört, die der Arbeit des Sinclair-Teams skeptisch gegenüberstanden. Dies hatte sich in der letzten Zeit geändert.
Zwar verfiel Cavendish nicht gerade in Ströme der Begeisterung, aber er nahm Sukos Anwesenheit positiv zur Kenntnis, indem er sagte: »Mischen Sie mit?«
»Sieht so aus!«
Die Männer reichten sich die Hände.
»Wo steckt eigentlich ihr Kollege Sinclair? Sie sind doch sonst unzertrennlich.«
»Er ist in Schottland.«
»Ja, da gehört er auch hin.«
»Dafür halte ich in London die Stellung, wie Sie sehen, Herr Kollege.«
»Richtig. Und was ist hier geschehen?«
Suko hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich weiß nur, daß es einen Mord gegeben hat. Mehr nicht.«
»Wir werden sehen.«
Der Arzt untersuchte den Toten, ein Fotograf knipste Bilder vom Tatort. Cavendish deutete in die Runde. »Sieht mies aus. In diesem Durcheinander kann man keine Spuren finden.«
»Da sagen Sie was.«
»Wie sieht es denn mit Zeugen aus?«
Suko hob die Schultern. Er hatte es schon auf den Lippen gehabt, dem Chiefinspektor von Spencers Beobachtungen zu berichten, als er dennoch den Mund hielt. Nein, das war zu unglaublich für den Polizisten. »Man müßte das Personal befragen«, sagte er statt dessen.
»Zwei meiner Männer unterhalten sich bereits mit den Kellnern.«
»Sie können sich die Leiche jetzt genauer anschauen«, sagte der Fotograf. »Ich bin fertig.«
»Gut.«
Die Aufgabe übernahmen Suko und Cavendish gemeinsam. Sie leerten die Taschen, fanden Geld, Zigaretten, zwei Taschentücher, ein Taschenmesser, einen Kamm mit zerbrochenen Zinken und eine Brieftasche aus sehr weichem Leder.
Die war am interessantesten. Der Chiefinspektor klappte sie auf.
Ein Ausweis steckte in einem Fach.
»Ed Fisher heißt der Mann.« Cavendish hob den Kopf und schaute Suko an. »Haben Sie den Namen schon einmal gehört?«
»Nein.«
»Schade, ich auch nicht.«
»Gibt es noch mehr Hinweise auf seine Identität?«
»Ich schaue mal nach.« Cavendish räumte die einzelnen Fächer leer und fand noch eine Visitenkarte des Toten, auf der Fisher seinen Beruf angegeben war.
Archäologe.
Cavendish lachte. »Ein Wühler also«, sagte er. »Damit hätte ich nicht gerechnet.« Er blickte auf den Toten und vor allen Dingen auf die Mordwaffe im Hals der Leiche. »Ein seltsamer Beruf und eine sehr seltsame Waffe, mit der man ihn getötet hatte. Bekommen Sie da etwas zusammen, Inspektor?«
»Nein.«
»Das wird wieder ein Knackfall, befürchte ich«, sagte der Chiefinspektor. »Und zwar ein verdammt harter.«
»Sir.« Jemand von Cavendishs Leuten kam herbei. Im Schlepptau einen Kellner. »Dieser Mann hat noch etwas zu dem Fall zu sagen. Hören Sie sich das mal an.«
Dem Kellner war nicht wohl in seiner Haut, das erkannte man an seinem blassen Gesicht, in dem die Schweißperlen wie kleine Kugeln lagen. »Ich habe nicht viel gesehen, Sir, die beiden nur bedient.«
»Die beiden?«
»Ja, er war nicht allein. Eine junge Frau oder ein Mädchen saß noch bei ihm.«
»Und das ist verschwunden?«
»Genau, Sir. In der ganzen Aufregung war sie plötzlich nicht mehr aufzufinden. Die hat vielleicht geschrien, als der Tote nach vorn kippte…« Der Kellner schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gehört, das kann ich Ihnen sagen.«
»Dann ist sie verschwunden?« fragte Suko.
»Richtig. Weggelaufen wie die anderen. Der Schock.«
»Kannten Sie beide Gäste?« wollte der Inspektor wissen.
»Nein. Hier herrscht im Sommer ein unwahrscheinlicher Betrieb. Wir haben nur im Winter Stammgäste. In der heißen Jahreszeit leben wir von der Laufkundschaft.«
Cavendish wandte sich an Suko. »Sieht nicht gut aus, wie?«
»Das meine ich auch.«
Der Chiefinspektor lockerte seinen Krawattenknoten. »Sie haben doch Kollegen. Kennen die denn wenigstens das Opfer oder dessen Freundin?«
»Ich glaube nicht.«
»Okay, wir werden sie fragen.«
»Aber da ist noch etwas, Sir. Wir haben gesehen, daß eine schwarzhaarige Frau durch den Vorhang geschlüpft ist. Das war kurz nach der Tat. Sie muß den Mörder verfolgt haben.«
»Und wo ist die Frau?«
Der Kellner hob die Schultern.
Suko schwieg. Er konnte Cavendishs Wut verstehen, als dieser mit der flachen Hand gegen seinen Oberschenkel schlug. »Das ist doch ein Mist hoch drei. Wo man hingreift,
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