0343 - Kampf um Lady X
wollte sie nicht töten. Nein, er tat ihr nichts zuleide. Im Gegenteil, für ihn mußte sie so etwas wie ein Stern in dunkler Nacht sein. Er sprach mit ihr, als wäre er stark in sie verliebt, und so war es wahrscheinlich auch.
Die Schöne und die Bestie!
Nein, dieser Vergleich hinkte. Der Mann war keine Bestie, er war ein armer Mensch, ein Getretener, ein nicht Akzeptierter, der überall herumgestoßen und verlacht wurde. Eigentlich mußte man mit ihm Mitleid haben, wenn man es genauer betrachtete.
Da gab es eine Tatsache, die sie störte. Dieser Mann war in das Wohnmobil eingedrungen und hatte sie einfach geraubt. Noch deutlich sah sie die schreckliche Szene vor sich, wie Dragan Domescu unter dem Schlag mit dem Aschenbecher zusammenbrach. Dabei wußte Bianca nicht einmal, ob er überlebt hatte.
Dieses Nichtwissen kam noch hinzu. Es bohrte in ihr und machte sie so fertig.
Immer wieder hämmerte sie sich ein, daß sie sich zusammenreißen mußte. Nur nicht dem anderen zeigen, daß sie Angst besaß und ihn nicht mochte. Sie mußte sein Vertrauen gewinnen, auch wenn es ihr unendlich schwerfiel.
Irgendwann gelang ihr ein erstes Lächeln.
Der andere sah das Zucken der Lippen, und in seinen Augen leuchtete es auf. Er wollte etwas sagen, vor Freude bekam er keinen Satz hervor.
Und sie lächelte wieder.
»Du… du …« Der Krumme holte schwer Atem. »Du magst mich?«
»Wenn du mich beschützt.«
Wintek setzte sich aufrecht hin und drückte seinen Rücken gegen die zerschlissene Couchwand. »Ja«, flüsterte er voller Hektik. »Ich mag dich sehr, und ich werde dich beschützen, darauf kannst du dich verlassen. Niemand soll dir je zu nahe treten, das habe ich mir geschworen. Ich werde auf dich achtgeben, die anderen können dir nichts tun, denn du stehst unter meinem Schutz.« Plötzlich und übergangslos begann er zu weinen. »Nie hatte ich jemand, den ich beschützen konnte. Bei dir hole ich alles nach – alles…«
Bianca Schwarz ließ ihn in Ruhe. Er mußte zunächst zu sich selbst finden, das spürte sie genau. Wenn sie jetzt unter Umständen die falsche Frage stellte, konnte alles aus und vorbei sein. Dann würde er wieder in ein anderes Extrem fallen.
Ein paarmal zog er die Nase hoch, als er sich wieder beruhigte.
Danach löste er seine Hände von ihren Wangen und ließ sie auf Wanderschaft gehen. Die Finger glitten über ihre Oberarme, tasteten sich weiter zur Körpermitte hin vor, und das Mädchen mit dem roten Haar vereiste innerlich. Sie dachte daran, daß die gleichen Hände den Aschenbecher hielten, als der Krumme auf Dragans Kopf geschlagen hatte.
Bianca wunderte sich über sich selbst, wie ruhig sie auf einmal bleiben konnte. Auch dann noch, als die Finger ihren Busen berührten und so hastig zurückzuckten, als wäre er heiß.
Der Krumme fühlte sich selbst erwischt und stieß glucksende Laute aus.
»War es schön für dich?« fragte Bianca mit leiser, zitternder Stimme.
»Ja, ja…«
Bei der nächsten Frage überwand sie sich selbst. »Willst du denn mehr, mein Beschützer?« Atemlos erwartete sie die Antwort. Sie wußte, daß sie es mit dieser letzten Frage auf die Spitze getrieben hatte. Vielleicht hatte sie die Grenze schon überschritten.
Es kam jetzt auf seine Reaktion an.
»Mehr?«
»Ja, mehr.«
»Aber ich… ich meine …«
»Du gefällst mir. Bei dir fühle ich mich so wohl. Ich habe jetzt keine Angst mehr.«
»Das brauchst du auch nicht zu haben.«
»Und dabei kenne ich nicht einmal deinen Namen.« Bianca schaute starr in das über ihr schwebende Gesicht.
Dessen Züge zuckten. »Ich heiße Wintek, der Krumme.« Er schüttelte den Kopf, als hätte er schon zuviel gesagt. »Aber Krummer nennen mich immer nur andere…«
»Ich sage Wintek zu dir.«
Seine Augen leuchteten plötzlich. »Das finde ich toll von dir. Ich finde den Namen gut.«
»Ich ebenfalls, Wintek.« Bianca schloß die Augen ein wenig. Als Vorgeplänkel hatten diese Fragen gereicht. Jetzt wollte sie sich ihrem eigentlichen Ziel nähern.
»Sag mal, Wintek, wenn du mich beschützen willst, muß es doch auch Feinde geben.«
Er nickte heftig. »Jaaa, die gibt es.«
»Und wer sind meine Feinde?«
»Das sind die Blutsauger. Sie wollen dein Blut, diese verfluchten Vampire. Aber ich werde es nicht zulassen, daß sie mir mein Mädchen nehmen. Nein, das werde ich nicht…«
Er redete noch weiter. Bianca Schwarz hörte überhaupt nicht hin.
Sie dachte nur mehr an die Vampire, von denen der Mann gesprochen hatte.
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