0343 - Kampf um Lady X
war mir auch noch nicht passiert. Konnte ich ihn dennoch zwingen, mir das Versteck der Geiseln mitzuteilen. Ich versuchte es und streckte einen Arm aus. Gleichzeitig bückte auch ich mich, so daß mein Kreuz in seine gefährliche Nähe geriet und sich die Angst noch steigerte.
»Wo stecken sie?«
»Ich sage es dir nicht!«
»Willst du wirklich hier verenden? Zu Staub zerfallen?«
»Ja, ja!« brüllte er mir entgegen. »Ich werde zu Staub zerfallen und deine Freunde sind tot. Meine beiden Vampire werden merken, daß ich nicht mehr existiere. Sie greifen ein, sie töten die anderen, sie haben von mir den Befehl bekommen. Sie haben…«
Ich zog mich zurück.
Verdammt, er konnte so recht haben. Es war einfach ein zu großes Risiko für mich.
Langsam richtete ich mich auf. Der Anblick des Kreuzes hatte den Blutsauger geschwächt. Ich hörte ihn keuchen und jammern. Als er sich zur Seite drehte, lief aus seinem Mund eine weißliche Flüssigkeit. Sie verbreitete einen ekelhaften Geruch, den mir der Wind genau in die Nase trieb. Ich drehte mich ab.
Der Vampir kam nicht auf die Beine. Er versuchte es, aber er war zu schwach. Seine Hände krallte er in den feuchten Boden, als würde er dort Halt finden. Dabei schrie er wütende Worte, und ich sah seinen Körper zucken.
Wie gern wäre ich gegangen und hätte die Geiseln gesucht. Sollte ich gehen oder am Grab bleiben?
Ich wußte es nicht. Vielleicht machte ich alles verkehrt, wer konnte es wissen.
So blieb ich.
Dabei konnte ich zuschauen, wie sich der Blutsauger allmählich wieder erholte. Er fand die Kraft sich aufzustützen, herumzudrehen und mich anzustarren.
Ich hielt mein Kreuz gut sichtbar. Sein Blick fiel darauf. »Du hast es ja noch immer!«
»Natürlich«, gab ich kalt zurück. »Und ich werde es auch nicht aus der Hand geben.«
»Dann…«
»Nichts geschieht«, unterbrach ich ihn. »Überhaupt nichts, das solltest du dir merken. Wenn jemand etwas zu sagen hat, bin ich es.« Während dieser Worte war mir eine wahnwitzige Idee durch den Kopf gezuckt. Ja, ich würde das Grab aufschaufeln und Lady X befreien. Aber ich wollte mich dabei anders verhalten, als er es sich vorgestellt hatte. Ihr Körper war nicht vernichtet. Das allerdings ließ sich sehr leicht nachholen.
Um ihn in Sicherheit zu wiegen, schleuderte ich sogar das Kreuz weg. Vom Grabrand aus gesehen, blieb es noch vor der Beretta liegen, in Reichweite.
Bogdanowich bemerkte diese Tatsache nicht. Er wunderte sich nur, daß ich seinen Befehlen nachgekommen war und mich sogar bückte, um den Spaten an mich zu nehmen.
»Du willst es doch machen?« fragte er.
»Natürlich.«
»Ja, ich hatte die besseren Trümpfe!« keuchte er.
»Wahrscheinlich«, erwiderte ich lässig und hob meine Schultern.
Danach nahm ich den Spaten und stach sein blankes Blatt tief in den weichen Boden.
Begleitet wurde diese Arbeit vom triumphierenden Lachen des Blutsaugers…
***
Er hockte auf dem zerschlissenen, schon halb zerstörten Sofa und hatte den Kopf des Mädchens in seinen Schoß gebettet. Immer wieder strich er mit seinen schmutzigen Fingern über ihr Gesicht.
Der Krumme war selig.
Endlich gehörte eine Frau ihm. Nie hatte jemand etwas von ihm wissen wollen, nun geschah das. Er hätte sie sich einfach nehmen können, niemand hinderte ihn daran, niemand lachte ihn aus und verspottete ihn wegen seines Aussehens.
Dieses Mädchen war sein Traum. Und er würde dafür sorgen, daß er es behalten konnte. Keiner sollte ihm diesen Traum mehr wegnehmen, auch sein Meister nicht, der Schlimmes mit ihm vorhatte.
Er sprach mehr zu sich selbst, obwohl er Bianca meinte, die tatsächlich Todesängste ausgestanden hatte. Sie war ein paarmal nahe daran gewesen, wieder in Ohnmacht zu fallen, denn sie rechnete damit, spitze Zähne zu sehen, die sich in das Fleisch ihres Halses schlagen würden.
Das war nicht passiert.
Statt dessen hatte sie sich die geflüsterten Worte des Krummen anhören und seine rauhen, kalten Hände spüren müssen, die zudem schmutzig, aber dennoch sanft waren, wenn sie über ihre Wangen strichen.
Bei den ersten Berührungen hatte sich Bianca innerlich versteift.
Da war der Ekel in ihr hochgeschossen wie eine Lohe, und sie hatte damit gerechnet, getötet zu werden.
Es verging Zeit, und sie lebte noch immer. Allmählich wich auch das dumpfe Gefühl in ihrem Kopf, so daß sie wieder klar sehen, denken und auch Folgerungen schließen konnte.
Dieser Mann, auf dessen Oberschenkeln ihr Kopf gebettet lag,
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