0343 - Kampf um Lady X
in seiner eigenen Wohnung saß.
Ihm fiel im ersten Moment nicht ein, wie er in das Haus gekommen war. Erst als es ihm gelang, seine Gedanken in konkrete Bahnen zu lenken, wußte er Bescheid.
Plötzlich war die Erinnerung wieder da! Sie flammte in seinem Schädel auf, er sah sich um, bewegte dabei vorsichtig den Kopf, und über seine Lippen drang ein überraschtes »Verdammt, wo steckt John?«
Sinclair war nirgendwo zu sehen.
Für den Pfähler gab es nur eine Erklärung. John mußte das Haus vor ihm verlassen haben. Wohin er gehen wollte, wußte Marek nicht, er konnte es sich höchstens zusammenreimen.
Wieder dachte er nach.
Klar, Dragan Domescu hatte das Wohnmobil auf dem Hof hinter dem Haus des Bürgermeisters abstellen wollen. Wahrscheinlich war John zu ihm gegangen, um die Gegner dort zu erwarten.
Frantisek Marek wollte das gleiche tun. Mühsam stemmte er sich hoch. Die Bewegung spürte er auch im Kopf, aber er riß sich zusammen und wankte zur Tür.
Im Flur lehnte er sich an die Wand. Ein paarmal atmete er tief durch. Dann ging er weiter.
Die frische Luft tat ihm gut.
Er warf einen Blick auf die Uhr und dann zum Himmel. Der Nachmittag war fast vorbei. Dennoch stand keine Sonne am Himmel. Einen so trüben Herbsttag hatte er selten erlebt.
Alles verschwamm in einem düsteren Grau. Die Wolken hatten sich gesenkt. Sie flossen von den dicht bewaldeten Hängen in die Täler und erinnerten an Wasserfälle aus Dunst und Schwaden.
Das war richtiges Vampirwetter. Sogar tagsüber konnten sie sich aufhalten, ohne zerstört zu werden.
Marek hatte nichts gegen Dunst und Nebel. Nur wenn er beides mit dem Fall zusammenbrachte, ärgerte er sich darüber.
Um zu seinem Ziel zu gelangen, konnte er die Hauptstraße nehmen oder eine Abkürzung gehen.
Er entschied sich für die Abkürzung. Stets hielt er sich an den Außenmauern der niedrigen Häuser, stemmte sich dort ab und wurde ein paarmal von entgegenkommenden Dorfbewohnern auf seinen Zustand hin angesprochen. Frantisek gab nur einsilbige Antworten und ging weiter.
Durch eine schmale Gasse mußte er.
Danach versperrte ihm ein Gartenzaun den Weg, den er einfach durchbrach, einen weichen Pfad erreichte und schon bald die Brandmauern entdeckte, die verteilt auf dem Hof des Bürgermeisterhauses standen.
Auch das Wohnmobil sah er.
Es wirkte wie ein viereckiger Klotz und wurde umwabert vom hellgrauen Dunst, der sich zum Abend hin noch mehr zu einem dicken Nebel verdichten würde.
Marek nahm nicht den Einstieg zum Fahrerhaus. Der andere war, von ihm aus gesehen, näher.
Er fand die Tür offen. Fast wäre er gestolpert, als er das Wohnmobil betrat. Licht brannte, Stimmen hörte er keine, und das wunderte ihn. Er schob sich an der Dusche vorbei, wollte etwas rufen oder sagen, als ihm das Wort im Halse steckenblieb und er ebenfalls nicht mehr weiterging, wobei er seine Hand gegen die Kehle preßte.
Er hatte Dragan Domescu entdeckt!
Der junge Rumäne lag auf einer der Liegen. Um seinen Kopf hatte sich eine Blutlache ausgebreitet. Das meiste war schon in den Kissen versickert. »Nein, nein!« hauchte Marek. »Großer Gott, nur das nicht.« Er taumelte näher, hatte seine eigenen Schmerzen vergessen und erreichte die Liege. Da er mit allem rechnen mußte, schaute er sich zunächst den Hals des jungen Mannes an.
Zum Glück entdeckte er dort keine Vampirwunden. Ein Blutsauger war er also nicht.
Lebte er überhaupt noch?
Marek horchte nach. Er legte sein Ohr auf die Brust und lauschte nach dem Herzschlag.
Zuerst hörte er nichts, nur seinen eigenen Atem, und der Kloß in der Kehle wurde immer dicker. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß Dragan nicht mehr zu helfen war.
Dann zuckte er zusammen.
Ja, er hatte einen schwachen Schlag vernommen. Jetzt fühlte er auch nach dem Puls.
Der schlug ebenfalls…
Es war ein gewaltiger Stein, der dem Pfähler vom Herzen polterte.
Dragan lebte, wenn auch nur schwach. Um ihn am Leben zu erhalten, mußte Frantisek etwas tun.
Einen Arzt gab es nicht in Petrila. Die Leute hatten sich immer selbst zu helfen gewußt. Jetzt hätte er einen Doktor gebrauchen können. Ihm fiel die alte Galina ein, die sich um die kleinen Wehwehchen der Bewohner kümmerte. Sie mußte jetzt zeigen, was sie konnte.
Als Marek sich aufrichtete, merkte er, wie schlecht er doch dran war. Wieder hatte er gegen den Schwindel anzukämpfen. Es wunderte ihn überhaupt, daß er sich so gut auf den Beinen halten konnte, aber es kam nun auf ihn allein an, daß er
Weitere Kostenlose Bücher