0344 - Vampir-Schlangen
sie.
»Halt sie mal fest«, wies ich Marek an und zog meine Jacke aus, die ich ihr umhängte.
Sie nickte nur.
Wohin mit dem Mädchen? Das war die große Frage. Im Flur konnten wir nicht bleiben. Wenn uns der Vampir überraschte, bildete Bianca für uns ein Hindernis.
»Da sind Zimmer genug«, sagte Marek und deutete auf die am nächsten liegende Tür.
Ich lief hin, öffnete sie und schaute in einen saalartigen Raum, in dem es lausig zog, weil einige Fenster keine Glaseinfassung mehr besaßen. Hier konnte Bianca warten.
Zwar entdeckte ich keinen Stuhl, dafür eine umgekippte Steinplatte, auf deren Rand Bianca sich niederließ.
Marek hatte die Tür geschlossen. Licht war hier nicht vorhanden.
Unter der Türritze her fiel ein schmaler rotgelber Streifen, der vom Fackellicht stammte.
Der Pfähler schaltete seine Taschenlampe ein. Er leuchtete neben das Mädchen. Bianca wurde nur vom Streulicht getroffen. Ihr Gesicht wirkte jetzt noch bleicher.
In diesem Augenblick erst schien sie zu merken, daß sie sich in einer relativen Sicherheit befand. Sie hob den Blick, schaute uns an und schüttelte den Kopf.
»Wir sind es tatsächlich«, sagte ich.
»Ja«, flüsterte sie. »John Sinclair, nicht?«
»Genau.«
»Aber wieso?« Jetzt sah sie Marek. »Und… und Sie auch?«
»Natürlich.«
Ich hatte sie beim Sprechen beobachtet und festgestellt, daß ihr keine Vampirzähne gewachsen waren. Bianca hatte wirklich Glück gehabt, daß sie keinem Blutsauger in die Hände gelaufen war.
Obwohl uns die Fragen auf dem Herzen brannten, mußten wir das Mädchen erst zur Ruhe kommen lassen. Dann würde es uns Antwort geben können.
»Ich habe eine Idee«, sagte Marek und griff in die rechte Außentasche seiner alten Joppe. Er holte eine kleine Flasche hervor. Sie war flach, paßte genau in die Tasche und war gut gefüllt. Darin befand sich sein Selbstgebrannter. Ich hatte ihn stets mit wenig Begeisterung getrunken, aber vielleicht war er in diesen Augenblicken das Beste oder die beste Medizin. Er hielt dem Mädchen die Flasche hin.
Bianca nahm sie mit zitternden Händen. Ihre Haut wirkte dünn, weiß und gleichzeitig bläulich, so durchgefroren war sie.
»Einen kräftigen Schluck müssen Sie nehmen«, sagte der Pfähler.
»Er wird Ihnen guttun.«
Sie trank einen Schluck. Wir sahen das Zeug in ihrem Hals verschwinden, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Hastig setzte sie die Flasche ab, schnappte mit aufgerissenem Mund nach Luft, hustete, so daß ich mich gezwungen sah, ihr auf den Rücken zu schlagen, damit sie wieder normal Luft bekam.
Marek lächelte unschuldig, als er fragte: »Ist der Selbstgebrannte denn so schlimm?«
»Für dich vielleicht nicht, für andere doch. Damit kannst du schon bald Vampire vertreiben.«
Er winkte ab. »Nun übertreibe mal nicht. Gestorben ist davon noch keiner. Auch sie wird es überleben.«
Natürlich überlebte Bianca. In ihr Gesicht kehrte auch wieder Farbe zurück. Ob es an dem anstrengenden Husten lag oder am Schnaps, wußte ich nicht zu sagen. Ich hoffte nur, daß es ihr wieder besserging.
»Nun?« fragte ich sie.
»O Gott, was habe ich da getrunken?«
»Lebenswasser«, erklärte Marek.
»Ich dachte eher an das Gegenteil davon.«
»Ihr jungen Leute könnt eben nichts vertragen«, beschwerte Marek sich und ließ die Flasche wieder verschwinden.
»Wo ist Dragan?«
Die Frage des Mädchens traf uns so unvorbereitet, daß wir beide keine Antwort gaben und sie den Satz noch einmal wiederholte.
»Nicht hier«, sagte ich.
»Aber er ist… ich habe gesehen, wie er …«
Ich nickte. »Machen Sie sich keine Sorgen! Dragan lebt. Er hat wahrscheinlich nur eine Gehirnerschütterung und befindet sich in guten Händen. Für uns ist wichtig, was mit Ihnen geschehen ist. Das sollten Sie uns so schnell wie möglich berichten.«
»Man hat mich verschleppt!« flüsterte sie.
»Das wissen wir«, erklärte Marek. »Nur – wie konnte dies geschehen? Und wer hat es getan? Ein Vampir doch nicht – oder?«
»Nein, kein Vampir. Ein Mensch.« Sie hob die Schultern. Die Erinnerung überwältigte sie. Deshalb dauerte es eine Weile, bis sie den Namen aussprechen konnte. »Er nannte sich Wintek und hieß auch…«
»Der Krumme«, sagte Marek.
Bianca schaute hoch. »Ja, das stimmt. So hat er es auch gesagt. Der Krumme, das wäre sein Spitzname.«
Mich hatte Mareks Antwort überrascht und ich fragte ihn: »Du kennst den Kerl?«
Der Pfähler nickte. »Ja, ich kenne ihn. Er wohnt sogar in
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