0345 - Die Falle auf dem Rummelplatz
und dann kam die erste Überraschung. Ungefähr drei Zentner Lebendgewicht. Blond. In einem zitronengelben Trikot. Die Frau verbeugte sich vorm Publikum und wurde mit Gejohle und Getrampel empfangen. Dann kam die zweite Überraschung.
Eine nicht weniger imposante Frau in Violett gekleidet.
Und dann ging’s los. Die Musik setzte aus und dafür fingen die beiden mit ihren Ringkämpfen an.
Hinter mir bemerkte ich eine Bewegung. Der Jüngling kam zurück und setzte sich an seinen Tisch. Er war jetzt ruhig, und seine Augen glänzten. Er schien sich über die Ringkämpfe zu amüsieren oder über sonst etwas, er machte jedenfalls einen zufriedenen Eindruck. So ähnlich, wie all die anderen Jungen hier auch. Viel konnte ich schon nicht mehr erkennen, da der Zigarettenqualm uns wie Nebel einhüllte.
Lucielle kaute nervös an ihren Fingernägeln. Ich nahm ihr die Hand aus dem Mund.
»Ts, ts, tut man nicht«, sagte ich gouvernantenhaft, aber sie wischte meine Hand unwillig weg. Ab und zu stand ein Junge auf und ging hinaus. Also ein Beweis mehr, dass die Vorstellung nicht der Grund für ihre Anwesenheit war. Eins stand fest: Morgen Abend würde ich wieder hier sitzen und eine Packung Lucky Strike verlangen. Aber ohne dieses Mädchen. Schon eher mit Phil und ein paar anderen G-men vor der Tür. Ich würde sie nötig haben, wenn sich meine Vermutung als wahr heraussteilen sollte.
Plötzlich drehte sich Lucielle zu mir um. »Ich hab keine Lust mehr«, sagte sie, »gehen wir.« Ich legte das Geld für die Getränke auf den Tisch und stand auch auf. Lucielle wollte zur Tür gehen, aber ich hielt sie fest. »Nein, gehen wir lieber dort hinaus, besser ist besser.« Sie zuckte die Achseln, und wir wandten uns zu der Tür, durch die ich vorhin einen der Burschen verschwinden sah.
***
Wir kamen auf der Hinterseite der Buden heraus. Es war hier dunkel und ziemlich still. Die kühle Nachtluft war nach dem Rauch und Lärm wie eisiges Wasser. Lucielle blieb stehen und atmete tief ein. Dann blies sie die Luft wieder pfeifend aus.
»Seien Sie still!«, zischte ich wütend und drängte sie hinter einen schmalen Vorsprung. Aber nichts rührte sich. Nur der Lärm der Karussells drang zu uns. Ich bedeutete ihr, in dem Versteck zu bleiben und schlich mich vorsichtig nach vorn. Langsam schob ich meine Nase um die Ecke, und da standen sie, Chubby und zwei von den anderen Gorillas, die mich gestern im Club so nett empfangen hatten.
Sie standen mit dem Rücken zu mir und rauchten. Sie bewachten den Eingang, aber ich musste damit rechnen, dass sie irgendwann genug davon haben und drinnen nachsehen würden, wo wir geblieben waren. Ich schlich mich genauso leise zu Lucielle zurück, und wir gingen an den Rückwänden der Buden entlang, um einen Durchschlupf zu finden. Zwischen zwei Buden war ein Bretterzaun. Es war eine Lattenwand, die man als Ganzes bewegen konnte. Ich schob sie zur Seite und sah nach, was auf der anderen Seite war.
Die Seitenwand einer Würstchenbude und dann eine Geisterbahn.
Ich zog Lucie hinter mir her, aber sie stolperte und riss dabei die ganze Bretterwand um. Mitten in dem Krach, den sie dabei veranstaltete, hörte ich einen scharfen Pfiff von der Eingangsseite her und das schwere Getrampel von Schuhen.
Sie hatten uns also gehört und richtig kombiniert. Schnell liefen wir um die Würstchenbude und versteckten uns hinter dem Abfallkorb. Zwischen einer Reihe bunter Wimpel sah ich Chubby hervorkommen. Er sah sich kurz um und wandte sich dann der Budenstraße zu. Hinter ihm die anderen zwei. Neben mir kauerte Lucielle mit vor Schreck aufgerissenen Augen. Ich packte sie am Arm, und wir liefen nach der anderen Seite davon. Es wäre besser gewesen, sich unter die Menschenmenge zu mischen, aber ich wollte zum Auto, und das stand auf der anderen Seite.
Wir schoben uns an den Leuten vorbei, die an dem Stand ihre Hotdogs verzehrten, und standen plötzlich in einer schmalen Gasse, die von den Rückseiten der verschiedenen Glückshäfen und -buden gebildet würde.
Die Gasse war finster und auf dem nassen Sand lagen Unmengen von Papier und anderen Abfällen. Es roch faulig und muffig, und ich merkte wie Lucielle zögerte hineinzugehen. Ich zog sie hinter mir her, als uns mit einem Satz eine Katze vor die Füße sprang. Lucie quietschte auf und wollte sich losreißen. Aber ich hielt sie fest.
»Hier geblieben! Sie werden jetzt ganz folgsam sein, sonst gebe ich keinen Cent mehr für uns.«
Sie gab nach, und wir rannten durch
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