0345 - Satans Schlangenkult
keine gibt… Gryf, die Decke ist sorgfältig verkleidet worden. Verputzt, oder wie nennt der Maurer oder Stukkateur das?
»Woher hast du denn die Berufsbezeichnung? Von Merlin bestimmt nicht…«
Auch ein Wolf hat manchmal das Bedürfnis, seinen Bildungshorizont zu erweitern, behauptete Fenrir. Ich habe ein paar Lexika gelesen und auswendig gelernt…
»Immerhin besser, als vor dem Videoschirm zu verdummen«, murmelte Gryf. »Lesen bildet. Bloß daß dir diese Bildung eingibt, vor ein paar Jahrhunderten hätte man Beton gegossen und Deckenputz angebracht… ich weiß nicht, was du da gelesen hast, Däniken, Krassa oder…«
Die haben nie solche phänomenalen Theorien aufgestellt wie ich. Gryf, warum überprüfst du meine Erkenntnis nicht?
»Auch ’ne Idee.« Gryf trat in den Raum. Seine Turnschuhe wirbelten Staub auf, der seit einer Ewigkeit unberührt hier lag. Er ging zu der weißen Steintreppe hinüber und stieg so weit hinauf, daß er die Decke der Etage bequem erreichen konnte. Dann zog er das Messer und begann an der weißen Farbe zu kratzen.
Nicht nur die Farbe, auch eine Schicht Mörtel - oder was auch immer es war -ließ sich ablösen und bröckelte in die Tiefe.
Gryf pfiff durch die Zähne. Mit den Fingerspitzen tastete er unter dem rauhen Material entlang. Ganz war er noch nicht überzeugt und kratzte weiter.
Plötzlich änderte das Material seine Farbe.
Unter dem Weiß kam ein sattes Blau zustande!
»Blau? Seit wann ist Stein oder Beton blau… ?«
Im nächsten Moment klickte es.
Jetzt wußte er, woher ihm dieser Baustil so bekannt vorkam. Es handelte sich um eine jener sagenhaften Blauen Städte! Vor rund vierzigtausend Jahren waren sie von Unbekannten erbaut worden! Eine hatte über die Jahrhunderte und Jahrtausende unentdeckt im Dschungel Afrikas gestanden, eine andere war im tiefen Eis des Südpols versunken gefunden worden… und hier befand sich wieder eine, mitten im Wald Mexikos!
»Eine Blaue Stadt«, murmelte der Druide verblüfft. »Damit war nun wirklich nicht zu rechnen…«
Deshalb mochte sie bisher nicht gefunden worden sein! Deshalb war sie aus der Luft heraus nicht gesehen worden! Blaue Städte ließen sich nicht so einfach finden. Auch im Zeitalter modernster Beobachtungstechnik entzogen sie sich dem Zugriff der Menschen immer noch weitestgehend!
»Aber warum hat man sie dann weiß übermalt? Jedes Haus, von außen und von innen? Warum sind selbst losgebrochene Steine und Bruchkanten an den Mauern weiß? Da stimmt doch etwas nicht…«
Gryf sah sich nach Fenrir um, der unten zurückgeblieben war; Treppensteigen war nicht sein Fall.
Der Wolf winselte verhalten!
»Was ist los, Grauer?« fragte Gryf und vesuchte im gleichen Moment, Fenrirs Gedanken zu lesen. Das hatte der Wolf ihm noch immer erlaubt.
Im nächsten Moment mußte Gryf sich festhalten, um nicht von der geländerlosen Treppe zu stürzen.
Die Schlangenmänner kamen!
An die hatte er in der letzten Stunde überhaupt nicht mehr gedacht, aber jetzt waren sie da, waren schon in der Stadt!
Gryf preßte die Lippen zusammen. Tendykes Revolver lag beim Jeep!
Der Druide hastete die Treppe hinunter. Er wollte Fenrir packen und im zeitlosen Sprung den Jeep erreichen. Damit konnte er davonrasen, und mit der dort liegenden Waffe und den Silberkugeln ließ sich auch bei den Schlangenmenschen Wirkung erzielen.
Aber Gryf kam nicht so weit.
Die Schlangenmenschen, diese Unheimlichen, die sich zischend verständigten, waren nicht nur in die Tempelstadt eingedrungen. Sie wußten auch ganz genau, wo ihre Gegner steckten.
Und durch die Tür drangen sie herein, auf den zurückweichenden Wolf zu, und durch das Fenster… und als Gryf sich umwandte, sah er sie auch aus dem Obergeschoß die Treppe herunterkommen! Lautlos, wie Schatten sich bewegen, die den Boden nicht berühren!
Nur ihr häßliches Zischen war zu hören!
Und sie griffen an, um zu töten!
Nein… nicht um zu töten. Sie wollten Gryf so umwandeln, wie sie es mit Paquero getan hatten…
Gehetzt sah der Druide sich um. Er sah keinen Ausweg, als die Schatten auf ihn und Fenrir zuflogen…
***
Nicole kannte sich in Lyon auch ohne Stadtplan aus. Sie war oft genug hier gewesen. Die von Pascal angegebene Adresse befand sich mitten im Zentrum. Nicole sah auf die Uhr. Wahrscheinlich hatte das Büro des Inders gerade Mittagspause. Also beschloß sie, die Zeit anders zu nutzen. Am Stadtrand wußte sie einen Autohändler. Nicole sah sich die ausgestellten Wagen an, aber
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