0345 - Villa Frankenstein
jedem Schritt schaukelte sie mit. Der Mund des toten Pfarrers stand noch wie zum Schrei offen, und manchmal bewegten sich auch die Kieferhälften. Die Augen des Toten wirkten wie Perlen ohne Glanz.
Weiter und weiter schritt das Monstrum seinem Ziel entgegen.
Der Pfad war im Laufe der langen Jahre längst zugewachsen. Das Monster bahnte sich trotzdem seinen Weg. Kein Busch, keine Dornen und kein Strauch konnten es aufhalten.
Und der Nebel nahm wieder zu. Über dem Sumpf hatte er sich gesammelt, wurde vom Wind erfaßt und gegen den Rücken des Unheimlichen getrieben, weil er schneller als das Monstrum war.
Dann sah der Unheimliche das Haus.
Noch immer stand es windschief auf dem kleinen Hügel. Nebelschwaden umtanzten es wie im Geisterreigen. Es stand dort wie eine finstere Warnung, für das Monster bedeutete dieses Haus genau das Gegenteil, eine Einladung.
Deshalb zögerte der Unheimliche aus dem Sumpf auch keine Sekunde und näherte sich mit festen Schritten der Behausung. Schnell erreichte er die Rückseite und stellte fest, daß die Tür nicht verschlossen war. Das bedeutete für ihn kein Problem. Mit einem derben Fußtritt rammte er sie auf.
Der Weg war frei!
Und er ging hinein in die Villa Frankenstein, die zu seiner Geburtsstätte geworden war.
Seine Schritte klangen hohl und erzeugten Echos, wenn er den Boden berührte. Draußen war es schon dunkel gewesen. Das Innere des Hauses verdiente die Bezeichnung stockfinster. Der Geruch nach Verfaultem, Verwestem und Vergänglichem schwängerte die Luft, die das Monstrum nicht mehr einzuatmen brauchte.
Darüber war es hinweg…
Ein lebender Toter, eine lebende Moorleiche kehrte zurück in das Haus seiner Erschaffung.
Als wäre es gestern gewesen und nicht 70 Jahre vergangen, so fand er sich zurecht. Er wußte genau, wie er in das große Zimmer gelangte, unter dem der Keller lag. In den tiefen Räumen hatte man ihn erschaffen. Sein Meister Phil Butcher hatte sich große Mühe gegeben. Nun lebte das Ungeheuer, der Meister aber war tot.
Es erreichte die Tür zu diesem Zimmer. Schwer fiel der Arm nach unten. Die Hand traf die Klinke, und das Monstrum konnte die Tür endlich aufstoßen. Knarrend schwang sie nach innen. Dabei schleifte sie noch über den Boden. Erst als die Geräusche verstummt waren, trat das Monstrum mit einem langen Schritt über die Schwelle. Es hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, da es gegen ein Hindernis gestoßen war. Polternd fiel ein Stuhl um. Als das Echo verklungen war, stoppte auch der Eindringling und blieb inmitten der Stille stehen.
Er tat auch weiterhin nichts, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geöffnet.
So genoß er…
Das war seine Heimat. Hier konnte er sich wohl fühlen, hier würde er sich wohl fühlen. Dieses Haus sollte mit seinem untoten Leben erfüllt werden, und dann war er bereit, in den Ort zu gehen, um dort seine Spuren zu hinterlassen.
Villa Frankenstein!
Sie gehörte jetzt ihm.
Bisher war er es gewesen, der Geräusche verursacht hatte. Das änderte sich nun.
Plötzlich vernahm er seltsame Laute.
Zunächst tat der Unheimliche nichts. Er stand da, lauschte und wunderte sich darüber, woher die Geräusche kamen. Sie mußten im Zimmer aufgeklungen sein, weil er sie so deutlich hörte.
Es war ein scharfes Flüstern und Wispern, das an seine Ohren drang. Aus allen vier Ecken drang es, und er glaubte auch, menschliche Stimmen zu vernehmen.
Hatte man auf ihn gewartet?
Sollten es Menschen sein, würden diese sich wundern. Obwohl ihn ein Mensch erschaffen hatte, mochte er sie nicht. Er würde ihnen auf brutale Art zeigen, was sie von ihm zu halten hatten.
Seinen kantigen Schädel hatte er vorgebeugt. Das Monstrum selbst gab keinen Laut von sich, es konzentrierte sich nur auf die anderen Stimmen.
Sehen konnte er niemand. Nicht einmal Umrisse erkennen. Dabei mußten die anderen, wenn er den Geräuschen Glauben schenken sollte, überall lauern. Sie hatten ihn regelrecht eingekreist, und sie würden das nicht ohne Grund getan haben.
»Sei uns willkommen…«
»Ja, wir begrüßen dich, Freund…«
»Wir haben auf dich gewartet…«
Diese Sätze verstand er sehr deutlich, wobei er sich fragte, wer auf ihn gewartet haben könnte.
Da gab es doch nur die Wesen, die…
Etwas flackerte auf. Schräg hinter ihm wurde die Dunkelheit unterbrochen. Ein ovaler Lichtkreis, sehr klein, dennoch ausreichend, um den zu beleuchten, der die Kerze in der Hand hielt.
Auch das Monstrum hatte das Licht
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