0345 - Villa Frankenstein
sie uns damit umfangen und nie mehr loslassen. Den feuchten Nebel spürte ich auch auf meiner Haut, und ich stellte fest, daß ich noch immer nicht auf der Höhe war, weil es mir relativ schwerfiel, den Weg hochzugehen.
Außerdem schwitzte ich stark, etwas, das nur selten vorkam. Erst allmählich, dann immer deutlicher, je mehr Schritte wir zurücklegten, schälte sich aus dem Grau der Nebelschleier das hervor, was man als Villa Frankenstein bezeichnete.
Ein altes Haus. Trotz des Nebels erkannten wir, wie baufällig und schief es war. Es stand auf dem Hügel, kam uns abweisend und abstoßend vor, und wenn der Weg so weiterführte wie jetzt, würde er direkt vor dem Haus enden.
Zur gleichen Zeit blieben wir stehen, um uns das Haus in Ruhe betrachten zu können.
Das Dach saß schief. Es sah aus, als würde es jeden Augenblick herunterrutschen. Da es schon Jahrzehnte gehalten hatte, würde es auch die Zeit überstehen, in der wir uns in seinem Innern befanden.
»Villa Frankenstein«, sagte ich flüsternd und fügte ein leises Lachen hinzu. »Da hat man dem Kasten tatsächlich den richtigen Namen gegeben. So unheimlich, wie der aussieht.«
Suko nickte nur.
Wir gingen näher heran. Das Haus ließen wir dabei nicht mehr aus den Augen. Auch Suko war mißtrauisch geworden, ich sah es an seinen Bewegungen, die wie eingefroren wirkten.
»Was hast du?«
»John, da stimmt etwas nicht. Ich spüre das Unheil.«
»Drück dich verständlicher aus.«
»Ich glaube, man beobachtet uns.«
Über die Antwort lachte ich nicht, da ich oft genug selbst die Erfahrung gemacht hatte, daß man auf Gefühle, wenn sie so plötzlich kamen, Rücksicht nehmen mußte.
Mir war es oft genug passiert, daß sich ein unbestimmtes Gefühl später als traurige Tatsache herausgestellt hatte.
Der Nebel nahm uns einen großen Teil der Sicht. Wenn der Wind die in der Nähe wachsenden Büsche bewegte, konnte man sich leicht vorstellen, von irgendwelchen Feinden umstellt zu sein, so sehr gaukelte die Umgebung dem menschlichen Augen etwas vor.
Suko war es, der die Gestalt entdeckte. »Verdammt, da steht dieses Monstrum!« sagte er.
Ich drehte den Kopf, folgte mit meinem Blick Sukos ausgestreckter Hand und sah ebenfalls den Schatten, der sich plötzlich bewegte und an der Westseite des Hauses im dichteren Nebel verschwand.
Es war klar, daß wir die Verfolgung aufnehmen würden, etwas hinderte mich daran.
Das leise Lachen.
Nicht das Monstrum hatte es ausgestoßen, es war aus der Villa Frankenstein geklungen.
Dort mußte demnach noch jemand stecken.
Suko bemerkte mein Zögern. »Willst du nicht mit?«
Ich deutete auf das Haus. »Kann sein, daß dort jemand lauert. Ich werde mal nachsehen.«
»Okay, dann kümmere ich mich um den anderen. Wir hören wieder voneinander.« Mit diesen Worten war der Inspektor verschwunden.
Ich hatte noch vor, ihm etwas nachzurufen, Suko war einfach zu schnell weggelaufen. Der Nebel umflorte seine Gestalt und schien sie aufzulösen. Dann war er weg.
Ich hatte das Lachen nicht vergessen und war mir trotz des geräuschverzerrenden Nebels sicher, daß es aus der Villa Frankenstein gekommen war. Ausgerechnet in dem Augenblick, als Suko die Gestalt entdeckte. War dies Zufall?
Daran wollte ich nicht so recht glauben. Auch wenn man gegen Geister und Dämonen kämpfte, trat der Zufall ebenso viel in Erscheinung wie bei einem normalen Kriminalfall. Ich glaubte eher daran, daß man mich von Suko weg und in das Haus locken wollte.
Okay, das sollte die Person haben. Ich war entsprechend gewappnet. Während ich mich Frankensteins Villa näherte, dachte ich über die Puppen nach.
Erwin war in dem Haus gewesen, hatte eine Puppe hervorgeholt, sie mit nach London gebracht und war von ihr erschossen worden.
Eine harte, brutale Tat. Spann ich den Faden weiter, konnte ich mir gut vorstellen, daß auch innerhalb der Villa eine Gefahr auf mich lauerte. Und zwar eine Gefahr, die möglicherweise von den Puppen ausging.
Diese Annahme machte mich vorsichtig.
Auf Zehenspitzen stieg ich die alten Treppenstufen hoch und konnte trotzdem die Geräusche nicht vermeiden, als sich die Bohlen unter meinen Schuhsohlen bogen. Das Holz war eben faul und gab unter dem Gewicht eines Menschen nach.
Vor der Tür blieb ich für einen Moment stehen, um zu lauschen.
Das Lachen wiederholte sich nicht. Dafür entdeckte ich, daß die Tür nicht geschlossen war. Sie stand einen winzigen Spalt offen. Ich faßte nach der Klinke, zog daran und zuckte
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