035 - Ein Horror-Fest um Mitternacht
sie würde noch vielen mehr helfen. Ein Leben im Dienste der Kranken… Ein erfülltes Leben… Es gefiel ihr.
Der Dank der Genesenen, die mit ihrer Hilfe gesund geworden waren, entschädigte sie für vieles. Phaedra Sopoulos konnte sich kein anderes Leben mehr vorstellen.
Die Petralona-Klinik war ihr eigentliches Zuhause, und es machte sie stolz, sich hier den Ruf absoluter Zuverlässigkeit erworben zu haben. Das war für sie der schönste Lohn.
Hinter ihr öffnete sich die Tür. Schwester Phaedra drehte sich um, nachdem sie im Spiegel kurz die Eintretende gesehen hatte.
Eine elegante Frau war es, mit Zügen von feierlicher Schönheit.
Cuca – die grausame Hexe!
***
Sie hatte ein feingeschnittenes glattes Gesicht, goldgesprenkelte Augen und trotz ihres jugendlichen Aussehens silbergraues Haar. Jeder mußte denken, daß es gefärbt war, denn Cuca wirkte nicht älter als 24.
Schwester Phaedra sah die elegante Frau freundlich an. Sie nahm an, daß die Eintretende sich in der Tür geirrt hatte.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich glaube ja«, sagte Cuca.
»Wohin möchten Sie?«
»Zu Ihnen.«
Die Krankenschwester sah sie überrascht an. »Zu mir?«
»Sie sind doch Schwester Phaedra, nicht wahr?«
»Allerdings. Wenn Sie wegen eines Patienten mit mir sprechen möchten, tut es mir sehr leid, Sie auf später vertrösten zu müssen, falls Sie soviel Zeit haben. Dr. Lavrou erwartet mich im Operationssaal.«
»Eine Notoperation, ich weiß«, sagte Cuca.
»Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie lange es dauern wird… Vielleicht wäre es besser, wenn Sie ein andermal wiederkommen würden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen…«
»Andreas Kantos«, sagte Cuca rasch. »So heißt der Mann doch, der operiert werden soll.«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Schwester Phaedra mit unterdrückter Ungeduld. »Sie müssen verstehen, daß ich mich mit Ihnen jetzt nicht länger unterhalten kann.«
»Das Schicksal von Kantos liegt mir sehr am Herzen.«
»Um so mehr werden Sie einsehen…«
Aus dem Lautsprecher über der Tür meldete sich eine Frauenstimme: »Schwester Phaedra, in OP 4! Schwester Phaedra, bitte kommen Sie sofort in den OP 4!«
Die Krankenschwester wies auf den Lautsprecher. »Da hören Sie es. All die Jahre war es nie nötig, mich auszurufen. Ich muß Sie bitten, mich gehen zu lassen.«
»Wie ich schon sagte, liegt mir Kantos’ Schicksal sehr am Herzen, Schwester Phaedra«, sagt Cuca mit einem seltsam schwingenden Unterton.
»Schwester Phaedra, dringend in den OP 4! Schwester Phaedra!« kam es aus dem Lautsprecher.
»Ich möchte nicht, daß Sie Dr. Lavrou assistieren«, sagte die Hexe. »Ich werde in OP 4 Ihren Platz einnehmen!«
Obwohl das sehr bestimmt klang, stieß Schwester Phaedra ein trockenes Lachen aus. »Das soll wohl ein Witz sein.«
»Durchaus nicht.«
»Geben Sie auf der Stelle die Tür frei!«
Cuca lächelte kalt. Sie öffnete den Mund und blies der Krankenschwester eine blaugraue Wolke entgegen, die sich wie eine große Hand auf Phaedra Sopoulos’ Gesicht legte.
Die Schwester bekam schlagartig keine Luft mehr, wich entsetzt zurück. Panik verzerrte ihre Züge; sie faßte sich an die Kehle, während die blaugraue Wolke durch Mund und Nase einsickerte und verschwand.
Phaedra Sopoulos brach lautlos zusammen. Ein grausames Lächeln huschte über Cucas Züge, die sich leicht zu verändern begann. Die Hexe nahm Phaedras Aussehen an.
Rasch entkleidete die Hexe die Krankenschwester. Phaedra Sopoulos würde so lange ohnmächtig bleiben, wie Cuca es wollte.
Sie versteckte die Bewußtlose in einem Schrank.
Augenblicke später war »Schwester Phaedra« zu OP 4 unterwegs.
***
Der Patient lag auf dem Operationstisch, Dr. Costa Lavrou arbeitete schnell und gewissenhaft. Kein Vorwurf war ihm über die Lippen gekommen. Nach so langer Zeit konnte es mal passieren, daß Schwester Phaedra nicht rechtzeitig zur Stelle war.
Er würde später erfahren, wodurch sie aufgehalten wurde.
»Der Mann sieht aus, als hätte ihn ein Raubtier angefallen«, sagte Lavrou durch die Gesichtsmaske. »Sehen Sie sich diese Biß- und Kratzwunden an, Schwester.«
Cuca nickte. »Ja, Doktor. Der Mann wurde schlimm zugerichtet.«
»Aber wir bringen ihn durch. Er hat ein starkes Herz, und zum Glück sind keine lebenswichtigen Organe verletzt. Erinnern Sie sich an den Dompteur, den man vor drei Jahren bei uns einlieferte?«
»Natürlich, Doktor.«
»Wie hieß der Zirkus doch gleich, für den er
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