0351 - Jäger der Nacht
schüttelte Moreheads Hand ab. Nach wie vor war sie bereit, das Amulett zu rufen. Daß sich feste Wände dazwischen befanden, spielte keine Rolle.
Im Korridor drinnen brannte Licht.
Und vor einer offenen Zimmertür lag Fairwydd, neben ihm sein Gewehr. Der Mann sah übel zugericfytet aus. Nur zögernd näherten sich die anderen. Nicole überwand sich, kniete neben Fairwydd nieder und untersuchte ihn. Der Mann war tot. Und das konnte erst ein paar Minuten her sein.
Er war in seinem eigenen Haus von dem Wolf - dem Werwolf - überfallen worden!
Aber die Bestie schien sich nicht mehr hier zu befinden. Die Aura des Bösen war verweht.
»Durchsuchen«, befahl Morehead.
»Und schießt sofort, wenn ihr den Wolf seht…«
Eine Viertelstunde später wußten sie, daß das mörderische Ungeheuer sich nicht mehr im Haus befand. Diesmal stand selbst Nicole vor einem Rätsel. Konnte das Biest feste Wände durchdringen? Denn alle Fenster waren nach wie vor von innen geschlossen, und es gab nur eine einzige Tür -die, durch die Nicole und die anderen gekommen waren. Einen Hinterausgang gab es nicht…
Wie also war der Werwolf entkommen?
Nicole wußte, daß Dämonen zuweilen verblüffende Fähigkeiten besaßen. Aber Werwölfen waren Grenzen gesetzt. Hier stimmte eine ganze Menge nicht.
»Wenn der Leichenwagen noch da ist, kann er gleich noch Fairwydd mitnehmen«, murmelte der Inspektor erschüttert. »Wohnte der Mann allein hier?«
»Mit seiner Tochter, Sir«, erklärte Dermoth. »Er war Witwer. Seine Frau ist vor Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen.«
Mit seiner Tochter, dachte Nicole und schürzte die Lippen. Und diese Tochter war ebensowenig aufzufinden wie der Werwolf…
Das war schon verblüffend…
***
Zamorra machte sich um Nicole wenig Sorgen. Er wußte, daß sie sich notfalls selbst zu helfen wußte. Er beobachtete statt dessen weiter den Constabler. Er fragte sich, wie lange der Arzt für den Weg von Clynnogfawr bis nach Llanfiddu brauchte. Das waren doch nur ein paar Meilen. Und selbst in der Zeit, die Zamorra jetzt schon hier verweilte, hätte der Doc die Strecke einige Male zurücklegen können.
Aber dafür zeigte das Amulett langsam Wirkung.
Es konnte zwar in der Tat nicht die Wunden schließen und heilen, aber es nagte an dem schwarzmagischen Wolfskeim. Liebend gern hätte Zamorra seinen Dhyarra-Kristall eingesetzt. Damit hätte er zumindest einige der Wunden verschließen und die Zellen zum Heilvorgang anregen können; größere Wunder konnten auch hier nur noch stärkere Kristalle vollbringen. Aber der Dhyarra-Kristall war blockiert mit der Mentalenergie Bill Flemings. Die durfte Zamorra nicht einfach vergeuden. Bill sollte nicht umsonst gestorben sein.
Also blieb nur das Amulett, und das konnte nicht viel tun. Aber es konnte immerhin bewirken, daß Brick nicht zum Werwolf wurde, und es konnte die Schmerzimpulse blockieren.
Brick schien dadurch auch schon wieder klarer denken zu können. Er öffnete die Augen und erkannte Zamorra. »Wo… wo bin ich? Was ist passiert?« fragte er schwerfällig.
»Der Werwolf hat Sie in Ihrem Wagen erwischt. Aber Sie konnten gerettet werden. Sie sind jetzt in Branwen’s Pub. Der Arzt wird bald kommen.«
»Der Wolf«, murmelte Brick. »Er… das war kein… kein richtiger Wolf. Das war etwas anderes…«
»Ein Werwolf«, wiederholte Zamorra.
Brick schloß die Augen.
»Haben Sie ihn erkannt?« fragte Zamorra.
Der Constabler antwortete nicht. Zamorra erkannte, daß Brick wieder in eine halbe Bewußtlosigkeit versinken wollte. Er berührte Bricks Stirn und konzentrierte sich auf seine Gedanken. Es fiel ihm schwer, die Bilder zu erkennen. Die Situation war alles andere als günstig. Aber Zamorra wollte erfahren, was er nur eben in Erfahrung bringen konnte.
Verwaschene, unscharfe Bilder zeichneten sich ab. Er nahm sie mit seinem Geist auf, versuchte sie auszuwerten. Er sah gewissermaßen durch Bricks Augen das Geschehen der Vergangenheit, spürte über die telepathische Verbindung die Empfindungen des Constablers. Da war der scharfe Wolfsgeruch, da waren die glühenden Augen, die zupackenden Pranken… unwillkürlich zuckte Zamorra in Bricks Erinnerung zusammen, als sei er es selbst, der von der Wolfsbestie angegriffen wurde. Aus dem Wagen taumeln, der mit ersterbendem Motor stehenbleibt, dann der Wolf, der wieder angreift, der Fußtritt, der erneute Sprung, das grelle Licht der Scheinwerfer, die Angst…
Und da war noch etwas, das Zamorra deutlicher
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