0352 - Hemators tödliche Welt
Augen aufschlug. Daß sie so schnell wieder zu sich kommen würde, damit hatte ich nicht gerechnet.
Wir starrten uns an.
Für einen Moment funkelte es in ihren Pupillen, dann warf sich die Unbekannte auf die rechte Seite und sprang sofort in die Höhe.
Sie war schneller als wir. Ihr rechter Arm fiel nach unten, die Hand suchte am Gürtel, und der Blick wurde starr, als ich ihr die eigene Waffe zeigte und sie auf die Klinge schauen ließ.
»Suchst du das?« fragte ich.
Die Frau versteifte. Dann nickte sie.
Für mich war es ein Beweis, daß sie meine Worte verstanden hatte, also würde ich mich mit ihr auch unterhalten können.
»Wie heißt du?« fragte ich.
»Leona.«
Den Namen hatte ich noch nie gehört. Daß sie ihn so bereitwillig preisgab, erweckte Hoffnungen in mir auf eine weitere Unterhaltung.
Auch wir sagten unsere Namen.
Sie schaute uns dabei an, wischte über ihr Haar, das, aus der Nähe betrachtet, gar nicht so schwarz war, sondern von einer Schicht aus grauem Staub überdeckt wurde.
Ali sagte: »Erst Leila, jetzt Leona. Die beiden könnten direkt Schwestern sein.«
Scharf schaute ihn die Frau an. Sie sprach nicht und blickte nur auf das Messer.
»Möchtest du es haben?« fragte ich.
Sie nickte.
»Um uns umzubringen, wie?«
Für einen Moment zögerte sie mit der Antwort. Dann schüttelte sie den Kopf, und wieder wunderte ich mich über diese Bewegung, denn sie mußte von dem Steintreffer Schmerzen haben, die schien sie einfach zu ignorieren.
Meine nächste Geste war die des Vertrauens, denn ich reichte ihr die Klinge zurück.
»Bist du lebensmüde, John?« Ali regte sich auf. »Die wird versuchen, uns die Kehlen durchzuschneiden.«
»Das wird sie nicht.«
Leona nahm das Messer an sich und ließ es in der flachen Scheide am Gürtel verschwinden.
Ich deutete auf einen freien Stein. »Setz dich!« forderte ich Leona auf.
Nur zögernd nahm die Frau Platz. Sie traute uns nicht, trotz ihres Messers, und setzte sich auch so hin, daß sie jederzeit wieder aufspringen konnte.
Ich blieb ruhig, auch Ali sagte nichts mehr. Er wartete auf meine erste Frage.
Die kam. »Wo befinden wir uns hier?« Ich sprach langsam, damit sie alles verstehen konnte. »Was ist dies für eine Welt?«
»Hemator!« Ihre Antwort kam spontan. Es wunderte mich nicht, daß sie den Namen erwähnte, schließlich hatten auch wir diese gewaltigen Hände als letzten Eindruck auf die lange Reise mitgenommen. »Das ist seine Welt?«
»Ja.«
»Und wie bist du hineingekommen?«
»Ich weiß es nicht.«
Mein Lächeln zeigte Unglauben. »Hast du die Erinnerung verloren, Leona?«
»Nein.«
»Dann mußt du doch…«
»Ich will es vergessen.«
»Aber du kommst von der Erde«, wechselte ich das Thema. »Du gehörst zur menschlichen Rasse.«
»Ja, das stimmt.«
»Und wie lange bist du schon hier gefangen?«
Sie hob die Schultern. »Was ist schon Zeit? Ich habe mir abgewöhnt, darüber nachzudenken. Ich führe hier ein zweites Leben.«
»Du wolltest uns töten!« hielt Ali ihr entgegen.
»In dieser Welt muß man das.«
»Wieso?« fragte ich. »Wir hatten dir nichts getan. Wir waren friedlich.«
»Nichts ist friedlich.«
Ich hob die Hände. »All right, lassen wir das. Reden wir auch nicht von deinem zweiten Leben, sondern von dem ersten. Daran kannst du dich noch erinnern, oder?«
»Ja.«
»Als was hast du da gelebt?«
»Auch als Mensch. Ich wohnte auf einer Insel und betrieb dort Forschungen.«
»Welcher Art?«
»Ich beschäftigte mich mit dem Wetter und der Atmosphäre.« Sie sprach den Satz langsam aus und senkte dabei den Kopf, als wollte sie nicht mehr daran erinnert werden.
»Dann bist du eine Forscherin oder Wissenschaftlerin gewesen, wenn ich es richtig sehe?«
»Ja, ich bekam den Privatauftrag einer Universität. Er sollte über ein Jahr laufen.«
»Du warst allein auf der Insel?«
Sie nickte. »Fast. Jeden Monat nur kam ein Schiff und brachte Proviant.«
»Wo lag die Insel.«
»Am Rande des Bermuda-Dreiecks.«
Ich zog ein überraschtes Gesicht. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber so unwahrscheinlich war das auch nicht. Schließlich hatte ich Hemators gewaltige Hand schon dort erlebt, als sie ein Schiff umklammerte. Allmählich sah ich etwas klarer. »Und was passierte dann?« setzte ich die nächste Frage hinterher.
»Es gibt die Insel nicht mehr.«
»So plötzlich?«
»Ja, auf einmal war die Hand da. In einer Nacht geschah es. Ein seltsames Licht erschien am Himmel. Zuerst hatte ich das
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