0355 - Die Bande der Nachzehrer
dem Weg nach unten befand, wurde mir klar, daß ich es einfach nicht schaffen konnte.
Ich reichte auch den unteren Punkt und stemmte mein Kinn zwischen Klinke und Türholz ein, um den Druck verstärken zu können.
Es war nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Die Tür blieb geschlossen, so daß meine Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. Zudem bereitete es mir immer mehr Schwierigkeiten, in der Haltung stehenbleiben. Die Wirbelsäule wurde stark beansprucht. Ich spürte Schmerzen im Nacken.
Ein letzter Versuch, ein Rucken mit im Kinn, es war alles umsonst.
Die Tür blieb verschlossen.
Langsam kam ich wieder hoch. Mein Gesicht hatte sich verzerrt.
Der Schweiß lief mir in Strömen über die Haut. Aus dem dunklen Hintergrund des Wohnwagens vernahm ich Frantiseks Stöhnen, dabei bewegte er sich auch, denn ich vernahm das Schaben, als er über seine Sitzfläche glitt. Es tat mir leid, aber ich konnte nichts für ihn tun. Unsere Gegner saßen einfach zu viele Vorteile auf ihrer Seite.
So drückte ich mich wieder hoch. Ebenso vorsichtig wie beim umgekehrten Vorgang, vielleicht noch behutsamer, einen Fall konnte ich mir nicht erlauben. Ich stand – und vernahm abermals Schritte.
Sie näherten sich dem Wohnwagen.
Würden sie jetzt kommen? Eigentlich mußten sie dies, denn die Zeit war reif. Sie würden sich überzeugen müssen, wie es uns ging.
Vielleicht wollten sie uns abholen, dann war alles zu spät.
Ich hüpfte vorsichtig zurück. Es fiel mir noch schwerer als beim erstenmal, so daß ich von Glück sprechen konnte, noch auf den Beinen zu bleiben.
Diesmal gingen die Schritte nicht vorbei. Ich hörte sie außen auf der Treppe.
Einer kam zurück!
Noch einmal rief ich mir in die Erinnerung zurück, daß die Tür nach innen aufging. Ich stand zum Glück weit genug weg, so daß sie mich nicht erwischen konnte, und ich baute weiterhin auf das Moment der Überraschung.
Ein Schlüssel kratzte im Schloß. Zweimal wurde er gedreht, was meine Spannung noch steigerte.
Dann war es soweit.
Ruckartig wurde die Tür nach innen gestoßen, wischte dicht an meinem Gesicht vorbei, und ich sah auf der obersten Stufe die Umrisse einer Gestalt stehen.
Es war Stani.
Ich sah ihn, er sah mich.
Überraschend klang der Laut, der über seine Lippen drang. Und diese Sekunden der Überraschung kamen mir voll zugute. Ich mußte einfach alles auf eine Karte setzen.
Die folgenden Momente gingen schnell vorbei, ich nahm trotzdem zahlreiche Eindrücke in mich auf.
Kalte Schneekristalle trafen meine Haut, ich spürte auch böigen Wind, und sah, daß der andere sich heftig bewegte. Ich wuchtete meinen gefesselten Körper nach vorn.
Als wir zusammenprallten, hörte ich den wütenden Schrei meines Gegners. Er selbst konnte sich nicht mehr abfangen, zudem stand er verdammt ungünstig auf dieser schmalen Treppe, so daß ich ihn nach hinten drückte. Er kippte um, stürzte auf die Treppe, rutschte hinunter und krachte zu Boden.
Mit der Stirn schlug ich noch in sein Gesicht, sah Blut aus seiner Nase rinnen, verspürte Schmerzen und fragte mich in diesem Augenblick, was ich mit meiner Aktion gewonnen hatte.
Wenn sich der Kerl unter mir wegrollte, konnte er mich noch immer erwischen.
***
»Die sind wir los«, sagte Stani und rieb sich die Hände. Er blieb nach wenigen Schritten stehen und warf einen Blick auf den Wohnwagen.
Lachend meinte er: »Wie Anfänger sind sie uns in die Falle gegangen. Wie Anfänger, diese Idioten.«
Marco, der Mann mit dem Messer, dämpfte den Optimismus seines Bruders. »Noch leben sie.«
»Na und?«
»Ich meinte ja nur.«
»Kannst du Fesseln aus Draht lösen?«
»Nein.«
Stani nickte. »Sie auch nicht. Davon bin ich überzeugt. Außerdem ist der Alte nur eine halbe Portion.«
»Der anscheinend einiges weiß«, bemerkte Marco. »Ich traue ihm weniger als diesem Ausländer, wobei ich mich frage, was den blonden Typ überhaupt in die Gegend getrieben hat.«
»Der hat den Alten besucht.«
»Nur so?« fragte Marco.
»Bist du davon überzeugt, daß da mehr dahintersteckt?«
Marco nickte. »Das kann man wohl sagen. Die beiden sind nicht von ungefähr gekommen. Wir sollten uns beeilen.«
»Das werden wir auch.«
Während des Gesprächs waren die Männer weitergegangen und hatten ihren Verkaufsstand auf dem Weihnachtsmarkt erreicht. Er lag am Rande des Platzes, die Verkaufsfläche war durch billigen Maschendraht eingefriedet worden.
Wenn keiner von ihnen Tannenbäume verkaufte,
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