0355 - Die Bande der Nachzehrer
dunkler.
Die Schatten verlängerten sich zu langen Armen. Da der Ofen in der Ecke keinen Nachschub mehr bekommen hatte, brannte das Feuer allmählich nieder, und auch die Platte besaß nicht mehr die intensive Farbe.
Dennoch war es zu heiß im Raum.
Heiß und still.
Diese Stille wurde jedoch unterbrochen, denn ich vernahm von draußen Schritte. Zuerst nur undeutlich, dann stärker, und sie näherten sich auf direktem Weg dem Wohnwagen.
Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wenn einer der beiden Brüder jetzt zurückkehrte und mich in dieser Haltung sah, würde ich nicht den Hauch einer Chance besitzen.
Noch war es nicht soweit. Ich besaß einige Sekunden Galgenfrist, schaute zur Tür und lauschte auf die Tritte. Wenn ich sie auf den Holzsprossen der Außenleiter hörte, war es zu spät für mich.
Die Schritte gingen vorbei…
Zuerst konnte ich es nicht glauben. Nachdem sie tatsächlich schwächer und für mich nicht mehr zu hören waren, wußte ich, daß dieser Kelch noch einmal an mir vorübergegangen war.
Erleichterung durchströmte mich, so daß ich jetzt an den dritten und letzten Teil meiner Aufgabe herangehen konnte.
Das öffnen der Tür.
Falls man sie abgeschlossen hatte, war alles vergebens gewesen, dann konnte ich buchstäblich einpacken, aber ich wollte diese geringe Chance nicht auslassen, auch wenn sie mich Schweiß, Aufregung und Nerven kostete.
Eine große Schwierigkeit bestand für mich auch darin, auf den Beinen zu bleiben. Wenn ich wieder hinfiel und von vorn beginnen mußte, war die Zeit sicherlich abgelaufen.
So näherte ich mich mit den Händen auf dem Rücken und vorsichtig hüpfend der Tür.
Stück für Stück schmolz die Entfernung zu meinem Ziel zusammen. Meine Spannung stieg wieder. Wie gern hätte ich sie durch einen tiefen Luftzug erlöst, das war leider nicht möglich, und so hoffte ich auf meine letzte Chance, die Tür.
Ich erreichte sie tatsächlich.
Und ich sah die Klinke unter mir, die ich ebenfalls bewegen mußte.
Die Frage war nur, wie ich das schaffen sollte. Da ich die Arme nicht zu Hilfe nehmen konnte, blieb mir noch eine Chance.
Ich mußte mich bücken und mein Kinn gegen die Klinke pressen, um sie so nach unten zu drücken.
Eine schwere Aufgabe, da ich zudem darauf achten mußte, das Gleichgewicht zu wahren.
Vorsichtig begann ich damit. Ich krümmte meine Knie, und es gelang mir trotz der Fesselung, meinen Körper nach unten zu schieben, wobei sich das Kinn dem dunklen Türgriff immer mehr näherte.
Nur noch ein paar Zentimeter Zwischenraum mußte ich überwinden, dann hatte ich es geschafft.
Ich bekam Kontakt!
Das Metall war warm, die Fläche sehr schmal, deshalb drehte ich den Kopf ein wenig, damit das Kinn einen etwas anderen Winkel zur Klinke bekam.
Sehr behutsam fing ich an. Ich wollte nicht abrutschen, durch den Druck hätte ich eventuell nach vorn fallen können. So etwas durfte ich auf keinen Fall riskieren.
Die Klinke bewegte sich.
Langsam wurde sie nach unten gedrückt. Mein Herz klopfte in wilder Vorfreude, ich spürte den Schweiß auf der Stirn noch dichter werden und glaubte plötzlich fest daran, es schaffen zu können.
Je weiter die Klinke nach unten glitt und ich in meiner unnatürlich gekrümmten Haltung stehenblieb, um so größer wurde meine Hoffnung, bis zu dem Augenblick, der alles radikal zerstörte.
Die Tür war abgeschlossen!
Vielleicht hätte ich vor Enttäuschung heulen oder niedersinken sollen, statt dessen tat ich überhaupt nichts, blieb in meiner unbequemen Lage stehen und spürte die Depressionen wie einen schwer lastenden Druck auf meiner Seele.
Es verstrichen einige Sekunden, die ich als Ruhepause benötigte, um meinen spärlichen Atem wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. Wieder wollte das würgende Gefühl vom Magen her in meine Kehle steigen, und ich hatte große Mühe, es zurückzudrängen.
Dann dachte ich an einen Irrtum. Zur gleichen Zeit vernahm ich hinter mir ein leises Stöhnen. Für mich Beweis, daß Frantisek Marek allmählich wieder erwachte.
Wie würde er wohl reagieren, wenn er mich in dieser Haltung an der Tür stehen sah?
Enttäuscht würde er sein, maßlos enttäuscht. Und uns beide würde die Würgeschlinge der Angst umpacken. Die Tür konnte klemmen, die Klinke haken. Ich bildete mir alles mögliche ein, die Ausrede sollte mich motivieren, und ich startete einen zweiten Versuch, wobei ich wieder sehr aufpassen mußte, um an der Klinke nicht abzurutschen. Schon als sich die Klinke auf
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