0359 - Die Teufelsvögel von Bombay
und durch Schlangendämon in äußerlich menschlicher Gestalt. Und je mehr es von ihnen gab, desto einfacher wurde es, weitere Opfer zu beschaffen.
Aber das hier war erstens durch das Entwenden einer Messingschlange ein gewaltiger Rückschlag für den Kult, und zweitens mußten zwei Menschen verschwinden, die keinen Gewinn brachten. Panshurab haßte sinnlose »Verschwendung«. Er war immerhin kein Wesen, das nur aus Lust am Morden tötete oder töten ließ. Es mußte alles zweckbestimmt sein. Das Schlangen-Denken in ihm, der ja selbst ein Ssacah-Untoter war, ließ etwas anderes nicht zu.
So brauchte er eine Weile, seiner Verwirrung Herr zu werden. Ihm ging es dabei nicht anders als den anderen Angehörigen des Kultes.
»Vernichtet die beiden«, sagte er, wandte sich wieder dem Altar und der Gruppe seiner Untergebenen zu und deutete auf Dan Ferguson und Bianca Brentshaw.
Das heißt, er deutete auf den Altar. Aber der war leer.
Bianca Brentshaw war verschwunden…
***
Das Mädchen hatte die Verwirrung genutzt, die unter den Ssacah-Dienern entstanden war. Im ersten Moment hatte Bianca es einfach nicht fassen können, daß eine Verzögerung auftrat, und dem in rötliches Feuer gehüllten Fremden, der sich Herr der Hölle nannte, traute sie auch nicht über den Weg. Aber die Schlangen hielten inne, bissen nicht zu, und auch die Griffe der Schlangen-Menschen lockerten sich. Alle achteten nur auf den Fremden, der offenbar nicht mit dem einverstanden war, was hier geschah.
Das war Biancas Chance!
Sie schöpfte wieder Hoffnung und glitt blitzschnell von dem Altar. Sie glaubte ein Dutzend Augenpaare und mehr auf sich gerichtet zu sehen. Aber niemand griff nach ihr. Der Fremde mit seiner Gesichtsmaske hielt alle in seinem Bann. Bianca duckte sich und huschte fast kriechend davon. Wichtig war, daß niemand sie aufhielt…
Aber es achtete auch niemand auf sie! Nicht einmal der Fremde. Der Oberpriester bot Bianca eine Art Sichtschutz, und im nächsten Moment war sie hinter den Schlangen-Menschen in Deckung gegangen.
Sie sah die Türöffnung, durch die sie hereingeschleppt worden war. Bedauernd dachte sie an Dan Ferguson, der nun tatsächlich für immer verloren war. Es gab kein Zurück mehr. Niemand konnte ihm mehr helfen. Dan war tot.
Aber sie selbst, Bianca, lebte! Und vielleicht würde sie eine Möglichkeit finden, Dans Tod zu rächen.
Wenn sie lebend davonkam!
Sie lief in die Dunkelheit des Korridors. Hier brannten keine Fackeln. Die gab es nur in der Höhle und ihrem Gefängnis. Mit vorgestreckten Händen tastete sie sich so schnell wie möglich weiter.
Dorthin, woher man sie geholt hatte, wollte sie nicht. Da war das Labyrinth, aus dem sie schon einmal zu dritt keinen Ausgang gefunden hatten. Es mußte noch einen weiteren Weg geben! Sie mußten ihn nur irgendwie finden…
Sie hastete durch die Dunkelheit, stieß mit den Füßen an einen vorspringenden Gegenstand und unterdrückte einen Schmerzlaut. Sie konnte gerade noch verhindern, daß sie stürzte. Hinter sich hörte sie wütendes Gebrüll. Entweder hatte man ihr Verschwinden bemerkt, oder die anderen fielen über Dan her, um ihn niederzumachen. Denn der Wortwechsel zwischen den beiden Unheimlichen ließ keine andere Lösung zu. Der in Feuerschein gehüllte Fremde wollte nicht, daß Dan als Schlangen-Zombie weiterexistierte…
Bianca fragte sich, wann dieser dunkle gewundene Korridor ein Ende fand. Schließlich waren die Schlangen-Menschen ja auch irgendwie hierher gekommen. Es mußte einen Weg geben! Es mußte! Warum fand sie ihn nicht?
Vielleicht verhinderte etwas, daß sie den Ausweg erreichte…?
Spiegelkabinette fielen ihr ein, aber sie mußte auch an das Unglaubliche denken, das sie hier erlebt hatte. Wer Menschen in Schlangen verwandeln kann, der kann auch noch weit mehr…
Plötzlich glaubte sie neben sich einen kühlen Luftzug auf der nackten Haut zu spüren. Abrupt blieb sie stehen. Die Finsternis war undurchdringlich, aber konnte es sein, daß sie im Begriff war, an einer Tür vorbeizulaufen?
Sie wandte sich nach links, streckte wieder die Hände vor.
Da war keine Wand… aber drei Schritte nach links und fünf Schritte nach rechts konnte sie die Wand wieder spüren. Sie trat durch die Öffnung.
Von einem Moment zum anderen wurde es hell!
Es war zwar nur der Schein einer Fackel, die rund zehn Meter von ihr entfernt in einer Wandhalterung steckte, aber für ihre an die Finsternis gewöhnten Augen war es sekundenlang blendend hell.
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