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0359 - Meine Henkersmahlzeit

0359 - Meine Henkersmahlzeit

Titel: 0359 - Meine Henkersmahlzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihm noch eine Chance. »Bitte«, sagte ich. »Wir beide könnten miteinander reden. Ich habe einige Fragen an dich.«
    Er schwieg.
    Dafür hörte ich ein anderes Geräusch. Von rechts her kam ein Lieferwagen. Er war kleiner als ein Truck, aber größer als ein normaler Pkw. Und der Mann hinter dem Lenkrad fuhr auch nicht gerade langsam, denn die Straße war frei.
    Ich übte mich weiterhin in Geduld. »Kannst du nicht sprechen, Kleiner?«
    »John!« hörte ich meinen Vater. »Mach nicht so ein großes Theater um ihn. Nimm ihn einfach mit und damit fertig.«
    Er mußte uns verstanden haben, denn er drehte den Kopf. Aber nicht mich, sondern meinen alten Herrn schaute er an. Dabei wurde sein Blick noch kälter, grausamer und abweisender. Es sah so aus, als wollte er uns alle zum Teufel wünschen.
    Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter. Vielleicht hätte ich das gerade nicht machen sollen. Für den Jungen war die Berührung der zündende Funke. Bevor einer von uns Erwachsenen es verhindern konnte, bewegte er sich einen Schritt vor und stand schon auf der Straße.
    Da kam der Wagen!
    Und der war verdammt schnell. So schnell, daß weder der Junge noch ich dazu kamen, so zu reagieren, wie wir es eigentlich hätten tun müssen. Und auch der Fahrer wurde von dieser Reaktion überrascht, so daß es kam, wie es kommen mußte.
    In den nächsten Sekunden erlebte ich die Vorgänge wie in einem Zeitlupentempo mit. Junge und Wagen prallten zusammen. Es saßen schon Kräfte dahinter, die das Kind packten, in die Höhe schleuderten und den Körper zu einem wirbelnden Etwas machten, das Ähnlichkeit mit dem einer Puppe hatte. Er wurde so hoch gewuchtet, daß er über die breite Kühlerschnauze hinwegflog und sich etwa in Höhe der Scheibe befand, so daß der schreckensstarr hinter dem Lenkrad sitzende Fahrer ihn auch sehen mußte und seinen Fuß mit aller Macht gegen das Pedal der Bremse stemmte.
    Es war ein reiner Gewaltakt, der nur nichts brachte, denn der Bremsvorgang war zu spät erfolgt.
    Reifengummi radierte mit schrillem Pfeifen über den Asphalt. Der Wagen geriet aus der Spur, aber mit der Kante des Führerhauses packte er den Jungen noch einmal, schleuderte ihn vor sich auf die Straße, und die Bremskraft reichte einfach nicht mehr aus, um den schweren Wagen rechtzeitig genug zum Halten zu bringen.
    Der Junge wurde überrollt…
    Wir sahen, wie der Lieferwagen zweimal ruckte, als seine Reifen den Körper überfuhren. Mit dem Heck schleuderte er gleichzeitig nach rechts, noch einmal jammerten die Reifen über den Untergrund, dann war es geschafft.
    Der Wagen stand.
    Der Junge lag auf dem Rücken und rührte sich nicht mehr. Ich konnte nur einen Teil von ihm erkennen, das Gesicht sah ich nicht.
    Ich spürte nur die Stille, die sich ausgebreitet hatte.
    Man konnte sie als tödlich bezeichnen…
    Ich sah meinen Vater. Er schien mit dem Boden verwachsen zu sein, so steif stand er auf dem Fleck. Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen. Die Haut hatte eine kalkbleiche Farbe angenommen, und in seinen Augen glitzerte die Feuchtigkeit.
    Auch er stand unter einem Schock. Es sah so aus, als wollte er etwas sagen, aber er bekam einfach keinen Ton hervor, und ich nickte ihm zu. »Warte hier, Dad.« Sehr leise hatte ich gesprochen. Meine Worte jedenfalls wurden vom Öffnen der Fahrertür übertönt, als der Mann seine Kabine verließ. Er zitterte wie Espenlaub. Seine Lederjacke stand offen. Auf dem Kopf wuchs wirres Kraushaar. Seine Lippen zitterten, doch sprechen konnte er nicht. Der Schock saß einfach zu tief.
    Als ich ging, lief auch er vor. »Mister«, sprach er mich an. »Verdammt, Mister, Sie haben es doch gesehen! Ich konnte einfach nichts tun. Der Junge ist mir genau vor den Wagen gelaufen.« Bevor ich mich versah, hatte er mich schon gepackt und schüttelte mich durch.
    Er blies mir seinen Atem ins Gesicht, und ich roch die Alkoholfahne.
    Wütend schüttelte ich ihn ab. »Sie sind zu schnell gefahren«, sagte ich nur und ließ ihn stehen.
    Er lamentierte weiter. Ich kümmerte mich nicht um ihn, sondern schaute nach dem Jungen.
    Reglos lag er vor mir. Daß er auf den Rücken gefallen war, hatte ich schon zuvor gesehen, aber sein Körper hatte sich verändert.
    Zweimal waren Räder über ihn gefahren, und das sah man.
    Der kleine Körper war von dem Gewicht zerquetscht worden.
    Normalerweise hätte er ein scheußliches Bild bieten müssen, aber ich sah kein Blut, selbst am Kopf nicht.
    Und doch hatte er die größte Änderung

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