0359 - Meine Henkersmahlzeit
stand auf.
Ziemlich belämmert stand ich da. Was konnte ich jetzt noch tun?
Nicht viel. Nur eine Großfahndung nach einem dunklen Renault R ankurbeln, alles andere war sinnlos.
Schon jetzt begann ich damit, diesen Neujahrsmorgen zu verfluchen. Das Jahr fing gut an. Ich hoffte, daß dies nicht weiter so anhalten würde und ich auch mal eine Ruhepause bekam.
Den gleichen Weg, den ich gekommen war, ging ich auch wieder zurück. Mein Vater kam mir schon entgegen. Er war froh, mich gesund und munter zu sehen, das sagte er mir auch.
»Alles in Ordnung, Junge?«
»So einigermaßen.«
»Du bist nicht verletzt?« Prüfend schaute er mich an.
»Nein, ich habe es überstanden.« Mein Grinsen fiel kläglich aus.
»Aber der andere ist verschwunden.«
»Der Junge?«
»Ja.«
Während unseres Gesprächs gingen wir zu der Unglücksstelle zurück. »Ich hörte einen Schuß«, sagte mein Vater.
»Sicher. Man hat mit einer Schrotflinte auf mich gefeuert. Das ging wirklich um Haaresbreite.«
»Und jetzt?«
»Großfahndung nach einem dunklen R 4«, erklärte ich. »Das ist das einzige, was ich noch tun kann. Ansonsten würde ich diesen Teil des Falls als Niederlage bezeichnen.«
»Es kommen auch andere Zeiten, Junge.«
»Das hoffe ich sehr.«
Inzwischen war an der Unfallstelle die Polizei eingetroffen. Wer sie alarmiert hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls diskutierten die Beamten mit dem Fahrer, der sich wieder beruhigt hatte und auf mich zeigte, als er mich entdeckte.
Die Beamten zogen mürrische Gesichter, die ein wenig freundlicher wurden, als sie meinen Ausweis sahen.
»Was können wir für Sie tun, Sir?«
»Mich telefonieren lassen.«
Dazu stand der Streifenwagen zur Verfügung, den ich betrat. Der Kollege in der Zentrale meldete sich auch mit mürrischer Stimme, deren Tonfall ich allerdings gern überhörte und ihn flottmachte.
»Kennzeichen?« fragte er. »Weiß ich nicht.«
»Wie sollen wir die Karre dann finden?«
»Versucht’s wenigstens.«
»Okay.« Ich wußte selbst, daß es nicht viel Sinn hatte. London konnte man mit einem Moloch vergleichen. Der schluckte alles, was ihm in die Quere kam. Diese Stadt war nicht auszurechnen. Hier konnte man sich jahrelang verbergen, ohne entdeckt zu werden.
Um den Fahrer zu entlasten, klärte ich die Sachlage auf. »Dann war der Junge also nicht so schwer verletzt?« fragte man mich.
»Nein, er konnte gehen.«
»Und er befindet sich jetzt in dem Wagen?«
»So ist es«, lächelte ich. Der Mann nickte. »Wir nehmen trotzdem ein Protokoll auf, und damit ist die Sache für uns erledigt.«
»Richtig.« Nachdem ich wieder zur Ruhe gekommen war, spürte ich meinen Kopf abermals. Das Hämmern hinter der Schädeldecke hatte sich wieder ein wenig verstärkt. Ich schob es nicht allein auf den in der letzten Nacht reichlich genossenen Alkohol, sondern auf die gefährlichen Ereignisse in den letzten Minuten, die mich fast das Leben gekostet hätten.
»Das war ja wohl ein Schlag ins Wasser«, sagte mein Vater. »Wir müssen den Hebel woanders ansetzen.« Ich gab ihm recht. »Bleibt es bei dem Plan?«
»Natürlich. Wir werden deine alten Freunde mal besuchen. Vielleicht haben auch sie einen ungewöhnlichen Gast bekommen oder zumindest eine Nachricht.«
»John«, erklärte mein alter Herr im strengen Tonfall, so, wie er früher oft zu mir gesprochen hatte. »Du nimmst den Fall einfach zu sehr auf die leichte Schulter.«
»Nein, Dad, das tue ich nicht. Es sieht nur so aus, wirklich…«
Eigentlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber ich hatte einfach nicht die Zeit gefunden, meinen Freund und Kollegen Suko zualarmieren. Zudem sah ich diesen Fall als eine Familienangelegenheit an, die ich gemeinsam mit meinem Vater lösen wollte.
Wir besuchten zunächst die Andersons. Die Adresse hatte ich dank meiner Beziehungen schnell erfahren, und der Weg führte uns nach Notting Hill, das nicht weit von dem Punkt entfernt lag, wo alles begonnen hatte. Notting Hill ist eine Gegend, in der im Westen zahlreiche Parks das Bild bestimmen, und so fand ich auch einen Parkplatz nahe eines Parks. Der Bentley stand mit der Schnauze zum Park hin und schloß fast mit der Stoßstange am Gitter der Umrandungsmauer ab.
Nur wenige Fahrzeuge standen hier. Es war inzwischen hoher Mittag geworden, eine blasse Wintersonne stand am Himmel, besaß jedoch nicht die Kraft, das dicke Eis auf den Pfützen zu tauen.
Wir mußten bis zur Wohnung der Andersons zu Fuß gehen. Die Familie wohnte zwei
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