0359 - Meine Henkersmahlzeit
etwas in der Hand, das mir verdammt gefährlich werden konnte.
Es war eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf!
Die Sonne war hervorgekommen. Sie stand sehr tief, dennoch befand sie sich im Rücken des anderen und strahlte ihn praktisch an.
Sie zeichnete ein deutliches Bild von dem Mann mit der Flinte, ließ aber sein Gesicht im Schatten, so daß ich nicht erkennen konnte, wer dieser Mann war und ob er zu meinem feindlichen Bekanntenkreis zählte.
Eins wußte ich jedoch.
Dieser Typ würde nicht zögern, zu schießen. Wenn er abdrückte und mich die Ladung traf, war es um mich geschehen.
Deshalb schleuderte ich mich nach rechts. Diese Sekunde gab er mir, wenn auch nicht freiwillig, denn er mußte die Richtung der Waffenmündung ein wenig verändern, um über den sich aufrichtenden Jungen hinwegfeuern zu können.
Im folgenden Moment schien die Welt unterzugehen. Ich schaute zwar nicht direkt in die aufplatzende Feuerblume hinein, trotzdem wurde ich geblendet, und der Hagel aus Schrot jagte wie ein gefährliches Gewitter über meinen Rücken hinweg.
Irgendwo hinter mir prasselte er gegen die Böschung, während ich mich um die eigene Achse drehte und von Glück reden konnte, daß mich die Geschosse nicht erwischt hatten.
Ich spürte unter mir das Eis, stieß mit den Ellbogen hart irgendwo gegen und kam zur Ruhe.
Ich sah beide. Der andere machte mir nicht den Eindruck, als wollte er noch einmal abdrücken, denn er hatte seine Schrotflinte in die linke Hand gewechselt, den rechten Arm ausgestreckt und half seinem Schützling so in die Höhe. Vor den Lippen des Mannes dampfte der Atem. Um meine Beretta ziehen zu können, mußte ich mich auf die Seite wälzen. Als hätte der andere es geahnt, so nutzte er die Zeitspanne aus, zuckte zurück und war sofort danach mit dem Jungenverschwunden.
Ich kam wieder hoch.
Genau dort, wo die Schrotladung getroffen hatte, wirkte die harte Erde wie verbrannt und war sogar aufgerissen. Das sah ich im Vorbeigehen, als ich mich den Hang hocharbeitete.
Ich hatte dessen Ende noch nicht erreicht, als ich ein bekanntes Geräusch vernahm.
Ein Motor orgelte auf. Leider war es kein Kaltstart, denn der Wagen fuhr sofort an.
Ich sah es, als ich das Ende der künstlich angeschütteten Böschung erreichte.
Allerdings befand er sich nicht sehr weit von mir entfernt. Wenn ich rannte, würde ich ihn noch erreichen können, zudem war die Beifahrertür noch nicht geschlossen und der Junge nicht richtig eingestiegen. Bewaffnet war er auch nicht, und wenn er in dieser Haltung blieb, so mußte es mir einfach gelingen, ihn zu schnappen.
Ich startete.
In einem schrägen Winkel lief ich auf den R 4 zu, um dem dunklen Fahrzeug den Weg abzuschneiden.
Ich war sehr schnell, zudem schon gut eingelaufen und schaffte es auch, näher heranzukommen. Obwohl ich den Fahrer schlecht und auch nur im Profil erkennen konnte, entdeckte ich auf seinem Gesicht doch den verbissenen Ausdruck.
Ich war da.
Mit einem letzten Sprung hatte ich den Wagen erreicht, gerade als der überfahrene Junge die Tür zuziehen wollte. Meine Hände griffen zu wie die Krallen eines Vogels, wenn er sich auf einen Ast setzt.
Ich bekam den oberen Türrand zu fassen, hielt eisern fest und wollte sie weiter aufreißen.
Das war einfach zu schwer, denn der Junge hielt dagegen, und seine Kräfte hatte ich unterschätzt.
Nur die Türdicke und die Scheibenbreite trennten uns noch voneinander. Sein verformtes Gesicht kam mir vor wie eine klumpige Masse, in der zwei Augen saßen, die Haß ausstrahlten.
Der Fahrer beschleunigte, und ich hing noch immer an der verdammten Tür, ohne sie loszulassen. Ich wollte die Beine bewegen, damit ich mithalten konnte, aber ich stolperte über meine eigenen Knochen, konnte nicht fallen, hielt aber eisern fest und wurde so von dem fahrenden Wagen mitgeschleift.
Es war schlimm, denn ich wußte, daß ich die Tür nur für die Dauer von Sekunden so halten konnte wie jetzt. Der Wagen fuhr schneller, die Kräfte wurden stärker.
Im letzten Moment bekam ich die Hände weg, fiel hinter seinem Heck auf den hart gefrorenen Boden, wo das sperrige Wintergras meinen Aufprall ein wenig dämpfte. Wenigstens die Nummer wollte ich mir merken, drehte mich um, doch die Distanz zwischen mir und dem Renault war bereits zu groß geworden.
Die weißblauen Auspuffwolken hüllten mich ein, und ich kam mir in diesen Augenblicken wie der große Verlierer vor.
Wütend schlug ich mit der Faust auf den Boden, drehte mich wieder und
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