0360 - Ich riß dem Boß die Maske ab
ich sagen könnte, wie er sich in einer verzweifelten Situation verhält.«
»Spielt er?«, fragte Phil.
»Leidenschaftlich«, bestätigte der Professor. »Ich habe ihm schon einige Male aus prekären Situationen helfen müssen. Außerdem ist er alles andere als ein Verächter des schönen Geschlechts.«
»Auch das kostet Geld«, ergänzte Phil sachkundig.
»Dr. Berger kennt nur eine Leidenschaft: Ehrgeiz«, fuhr der Professor fort. »Er schreckt vor nichts zurück, wenn es seiner Karriere dient. Er ist ein ausgezeichneter Wissenschaftler und ein hervorragender Mitarbeiter, aber sein Ehrgeiz wird ihn eines Tages noch auffressen. Winter, der zwei Jahre länger bei mir arbeitet, wurde von Berger in kurzer Zeit völlig an die Wand gespielt.«
»Sicherlich haben Sie Personalunterlagen über die Herren«, vermutete ich. »Ich möchte vermeiden, dass Ihre Mitarbeiter uns zu Gesicht bekommen. Sollte einer von ihnen der Täter sein, dann wird er vielleicht frühzeitig gewarnt. Auch ein Foto müsste ich haben.«
Der Professor stand auf und trat an ein großes Bild, das an der Wand hing. Er schob das Bild zur Seite, öffnete die Stahltür und holte aus dem mittleren Fach des Safes zwei Ordner.
»Hier ist alles drin enthalten«, sagte er und reichte mir die dünnen Aktenstücke.
»Ich möchte sie gerne mitnehmen, wenn Sie gestatten. Außerdem müssen wir den Erpresserbrief mitnehmen. Wir werden ihn in unserem Labor untersuchen lassen. Vielleicht wird dabei etwas herauskommen.«
Ich stand auf und nahm aus meiner Brieftasche ein kleines Spezialpapier heraus. Ich hielt es dem Chemiker hin.
»Drücken Sie auf die linke Ecke Ihren Daumenabdruck«, bat ich. »Den brauchen wir, um die Prints auf dem Erpresserbrief zu identifizieren. Hat sonst noch jemand das Schriftstück angefasst?«
Der Professor schüttelte den Kopf. »Ich habe es nicht aus der Hand gegeben… Nur auf dem Umschlag werden Sie natürlich noch die Abdrücke der Sekretärin finden. Sie hat mir den Umschlag übergeben.«
»Dann ist es umso leichter für uns«, sagte ich. »Ich rechne damit, dass der Erpresser Sie anrufen wird. Vielleicht schickt er Ihnen auch einen neuen Brief. Es wäre gut, wenn Sie uns dann sofort verständigen würden.«
Der Professor versprach das und brachte uns bis an die Ausgangstür.
Er verabschiedete sich von uns und wartete oben auf der Treppe, bis wir in den Jaguar eingestiegen waren.
»Das war ein ereignisreicher Vormittag«, brummte Phil und holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Wir haben uns ein Steak verdient.«
Max Richter war Hauptkassierer bei der Manhattan Bank. Der gelbliche Ton seiner fahlen Gesichtshaut verriet, dass er leberleidend war.
Er nahm seine Krankheit sehr ernst. Neben dem Fach für 100-Dollar-Scheine stand in seinem Kassenschalter griffbereit das kleine Blechdöschen mit Tabletten.
Max Richter warf einen gequälten Blick auf die Uhr im Kassenraum und verzog das Gesicht, als er den Druckschmerz wieder spürte. Er gab einem der Volontäre ein Zeichen, als sich an seinem Schalter gerade eine Pause ergab.
»Sie können mein Essen schon warm machen«, sagte Richter zu dem jungen Mann. »Aber passen Sie auf, dass es nicht wieder zu heiß wird.«
Es waren noch vier Kunden in dem kleinen Bankraum. Zwei standen an dem Sparschalter und hatten Banknoten zum Einzahlen in den Händen. Am Valutaschalter wechselte ein Italiener Fremdwährung ein.
Max Richter blickte auf den vierten Kunden, der noch in der Bank war. Er stand an Schalter drei und ließ einen Scheck vorprüfen. Wegen ihm konnte Max Richter seine Kasse noch nicht schließen. Erließ das halbrunde Eisendraht-Gitter noch weiter hochgeklappt.
Plötzlich fiel dem Hauptkassierer etwas ein. Er hatte den Mann, der vor fast zehn Minuten den Toilettenraum betreten hatte, noch nicht wieder herauskommen sehen.
»Vielleicht hab ich’s übersehen«, sagte Richter zu sich selbst, »der Mann mit dem einen Arm hat die Bank sicherlich schon verlassen.«
Der Zeiger der Wanduhr hatte 13.30 Uhr bereits überschritten. In der Sparabteilung, am Valutaschalter und in der Verwaltungsstelle wurden bereits die Pulte abgeräumt. Max Richter wartete, bis der Kunde, den er zuletzt bedient hatte, sein Geld in der Brieftasche verstaut hatte und mit einem kurzen Gruß vom Schalter trat.
Dann klappte auch er das Gitter aus Stahldraht über den Kassenschalter und schloss den Käfig mit einem Schlüssel ab, den er in der rechten Jackentasche an einem langen, dünnen
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