0363 - Der Werwolf von Alaska
euch. Er überwacht euch. Und wenn ihr ihm zu nahe kommt, schlägt er zu.«
»Du kennst ihn«, behauptete Nicole. »Vielleicht bist du es selbst, nicht wahr? Es deutet eine Menge darauf hin.« - »Weil du deinen Koffer bei mir fandest?« Taurak lachte leise. »Närrin. Hast du die Spuren nicht deuten können?«
Nicole starrte ihn finster an. »Ich könnte dich zwingen, zufriedenstellende Antworten zu geben«, sagte sie. »Deine Heimlichtuerei gefällt mir nicht, Taurak. Wenn du etwas weißt, dann sage es. Wenn du die Mordbestie bist, werden wir es beweisen und dich unschädlich machen. Das weißt du.«
»Natürlich weiß ich das«, sagte Taurak. »Es hängt nur an dem kleinen Wörtchen ›wenn‹. Aber ihr seid ohne wirksame Waffe. Ihr habt keine Chance. Verlaßt das Camp.«
»Nein«, sagte Nicole. Sie versuchte zu erkennen, wer oder was Taurak war. Früher wäre es ihr leichtgefallen. Aber ihre Fähigkeit, Schwarze Magie anhand ihrer Ausstrahlung zu erkennen, war erloschen. Sie spürte wohl, daß Taurak von irgend etwas Geheimnisvollem umgeben war, aber sie konnte nicht erkennen, was es war. Sie wurde unsicher. Wenn Taurak der Werwolf war, hätte er jetzt die beste Gelegenheit gehabt, Nicole zu töten. Oder spielte er nur mit ihr wie die Katze mit der Maus?
Taurak, Angaunok, Yonkin, MacNell… Wer von ihnen war das Ungeheuer wirklich? Für Nicole schied MacNell auf jeden Fall aus. Yonkin… wahrscheinlich auch er. Blieben die beiden Eskimos. Sie schienen gleichermaßen verdächtig zu sein.
Und Tauraks Warnung war nur zu deutlich. Er wußte, wer die Bestie war. Aber Nicole wußte, daß sie trotz ihrer Ankündigung keine Möglichkeit hatte, Taurak wirklich zu einer zufriedenstellenden Antwort zu zwingen. Sie fror plötzlich. Die Möglichkeit, daß sie dem Werwolf unmittelbar gegenüberstand, flößte ihr Unbehagen ein.
Taurak ging. Nicole folgte ihm langsam bis zur Tür und sah ihm nach, wie er durch das Dämmerlicht des Vormittages davonging. Er ging leicht gebeugt, als drücke eine schwere Last auf seinen Rücken.
Nicole kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo sie den Einsatzkoffer abgestellt hatte. Dort, wo Taurak im Sessel auf sie gewartet hatte, lagen winzige Splitter des Specksteins herum, die der Eskimo abgetragen hatte, während er den Hunde-, oder Wolfskopf formte.
Und da lag noch etwas.
Ein fertiger Kopf, etwa faustgroß. Er war hervorragend modelliert, mit leicht geöffnetem Rachen. Die kleinen spitzen Zähne und selbst die Zunge waren erstklassig herausgearbeitet. Es war, als würde dieser kleine Steinkopf leben.
Daß Taurak ihn hier zurückgelassen hatte, mußte eine Bedeutung haben.
Aber welche?
***
Eine Leiche, überlegte Zamorra, konnte sich nicht so einfach in Wohlgefallen auflösen. Irgendwo mußte der Tote jetzt sein, der in der vergangenen Nacht fortgebracht worden war. Um ihn irgendwo zu vergraben, war der Boden zu hart. Hier war bereits die Dauerfrostgrenze nah. Es war also anzunehmen, daß der Tote irgendwo anders versteckt worden war, in einem Schuppen, in einem Container…
Er mußte sich finden lassen.
Das ganze Camp allein abzusuchen, war illusorisch. Zamorra konnte Tage damit beschäftigt sein und doch nicht fündig werden. Auch zu zweit war es noch unsinnig. Aber vielleicht konnte MacNell noch ein paar Leute zur Verfügung stellen. Zamorra glaubte zwar nicht so recht daran, daß MacNell das tun würde, aber er konnte ihn immerhin fragen.
Er lenkte seine Schritte also zurück zu MacNells Büro.
Dort war inzwischen auch das Vorzimmer personell besetzt. Ein junger Mann sah Zamorra fragend an. »Sie wünschen?«
»Ist MacNell da?« Zamorra deutete auf die Tür zu MacNells Büro.
»Im Moment nicht, Sir. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
Zamorra schüttelte den Kopf. Wie es schien, wußte der Sekretär, oder was auch immer er für eine Funktion innehatte, wohl darüber Bescheid, daß Zamorra ein Sonderbeauftragter Van Clanes war, aber es war nicht unbedingt anzunehmen, daß MacNell ihn in der Kürze der Zeit über alle Gespräche und Vorfälle unterrichtet hatte. »Wissen Sie, wo MacNell erreichbar ist oder wenn er wieder hier anzutreffen ist?«
»Tut mir leid, Sir. Er kann schon in ein paar Minuten wieder hier sein, vielleicht aber auch erst zur Frühstücks- oder Mittagspause. Wissen Sie, es gibt hier eine Menge zu tun und zu entscheiden. Die harte Witterung macht die Arbeit nicht einfach, und vieles, was unten im Süden machbar ist, geht hier nicht und verlangt neue Ideen.
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