0363 - Der Werwolf von Alaska
MacNell turnt manchmal den ganzen Tag draußen an einer Turmbaustelle herum… Ich weiß leider auch nicht, wo er hin ist. Sie müßten ihn schon suchen.«
Zamorra nickte. »Danke. Läßt er sich nicht über Funk ansprechen? Ich meine, ich hätte einen Signalgeber an seiner Jacke gesehen.« Wenn jemand, der einen Signalgeber trug, benötigt wurde, vernahm er den hellen Rufton des Gerätes und wußte, daß er sich zum nächsten Telefon begeben und sein Büro anzurufen hatte, um Entscheidungen zu fällen oder Neuigkeiten entgegenzunehmen. Bei einer Baustelle von der Größe dieses Camps war das für die Führungskräfte schon zwingend erforderlich, vor allem, wenn der Stab der Ingeniere durch die Morde so geschrumpft war.
Zamorra fragte sich überhaupt, warum hier noch nicht mehr veranlaßt worden war, als daß zum einen die Polizei ratlos den Kopf schüttelte und zum anderen Houston lediglich über die scheinbar rätselhaften Todesfälle informiert worden war. Warum hatte MacNell nicht Ersatz angefordert?
Warum gab es hier nicht schon längst einen verstärkten Werkschutz? Es gab genug Sicherheitsfirmen, die den Objektschutz auch hier oben im Norden Alaskas übernommen hätten. Das hätte zumindest äußerlich ein Eindruck relativer Sicherheit erweckt, auch wenn die Kugeln aus normalen Dienstrevolvern einem Werwolf kaum Schaden zufügen konnten. Zamorra beschloß, MacNell danach zu fragen, was er in dieser Hinsicht unternommen hatte.
»Der gesamte Funkverkehr unterliegt einer rätselhaften Störung, Sir«, sagte der Sekretär. »Hat der Boß Ihnen das nicht gesagt? Auch unser campinterner Betriebsfunk ist davon betroffen.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Zamorra und ging wieder nach draußen.
Er begann sich schon fast an die Kälte zu gewöhnen.
Es war jetzt fast hell geworden. Im Süden zeigte sich eine weißliche Scheibe hinter grauen Wolkenschleiern - die Sonne. Ein winziger, kraftloser Fleck am Himmel, unerreichbar fern.
Unschlüssig blieb er vor der Bürotür stehen. Sollte er nicht vielleicht doch selbst auf die Suche nach dem verschwundenen Toten gehen? Aber wo sollte er mit der Suche beginnen? Er kannte inzwischen einen Teil des Lagers. Aber bei weitem nicht genug, um eine systematische Suche durchzuführen.
Er entschloß sich, sich im Saloon ein wenig aufzuwärmen. Der war rund um die Uhr geöffnet, wie auch rund um die Uhr gearbeitet wurde. Die Nachtschicht war zwar personell wesentlich schwächer besetzt als der Tagesbetrieb, aber wer früh morgens von der Arbeit kam, wollte sich trotzdem seinen Whisky oder Grog zm Aufwärmen genehmigen. Und der Saloon bot sich dafür weitaus besser an als die Aufenthaltsräume in den Wohnbaracken. Zamorra lenkte seine Schritte zu dem Flachbau hinüber, in dem sich vorn der öffentliche Teil des Lokals befand und hinten im Anbau die Abteilung des horizontalen Gewerbes. Zamorra zuckte mit den Schultern. Die Männer, die hier unter Extrembedingungen am Ende der Welt schufteten, waren zumeist Junggesellen. Frauen arbeiteten hier so gut wie überhaupt nicht, Familien schienen sich hier nicht aufzuhalten - also hatte man die entsprechende Ausweichregelung ermöglicht.
Zamorra stieß die Tür auf und betrat den Saloon. Der Raum war fast leer. An einem Ecktisch diskutierten ein paar Männer. Zamorra steuerte die Theke an. Der Mann mittleren Alters, der gelangweilt auf einen kleinen Fernsehschirm starrte, sah auf, als Zamorra die Hände auf die Thekenplatte legte.
»Oh, Sie sind doch Mister Zamorra?« stieß er hervor. »Stimmt’s?«
Zamorra nickte. »Ich scheine mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund zu sein«, grinste er. »Haben Sie etwas zum Aufwärmen? Einen Kaffee mit einem kleinen Schuß Whisky?«
Der Keeper nickte. »Sofort, Sir. Und ich habe eine Nachricht für Sie. Mister Yonkin läßt Ihnen ausrichten, er habe gefunden, was Sie suchen, und er wartet auf Sie.«
Überrascht hob Zamorra die Brauen. »Wie bitte!«
»Mehr hat er nicht gesagt, nur, wohin Sie kommen sollen«, sagte er. »Wissen Sie, wo sein Bungalow ist?«
»Wahrscheinlich da, wo die anderen auch stehen«, sagte Zamorra.
»Es ist der letzte in der Reihe. Dort erwartet Mister Yonkin Sie.«
»Und woher wußte er, daß ich hierher kommen würde? Das war eine spontane Idee. Es ist verdammt kalt geworden draußen.«
»Ja, der Winter kommt früh«, sagte der Keeper. »Das Barometer fällt weiter. Wir haben wahrscheinlich sogar einen Schneesturm zu erwarten, wenn die Wettervorhersagen stimmen. Der
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