0364 - Mongolenfluch
Chinese, und Zamorra bemerkte an ihm wieder die gleiche Reaktion wie bei ihrem Eintreten, nur fand er dafür keine Beschreibung. »Nun, ich bitte um Verzeihung, da ich nicht beleidigend erscheinen möchte. Aber das Aussehen Ihres Begleiters ist doch recht - ungewöhnlich. Und ich hatte schon in der letzten Nacht einen ungewöhnlichen Gast.«
»Dürfen wir mehr darüber erfahren?« fragte Zamorra. Er spürte, daß er auf eine Spur gestoßen war.
»Ich kannte diesen Gast nicht. Aber als er das Hotel heute verließ, trug er ein Schwert in einer Rückenscheide. Und er tötete drüben vor dem Bahnhof vier Männer, die versuchten, ein Mädchen zu entführen.«
Tendyke wirbelte herum. Zamorras und Nicoles Augen wurden groß.
»Ein Mann mit einem Schwert in der Rückenscheide, der vier andere Männer tötete? Wo befindet er sich nun?«
»Er hat Ansi anscheinend verlassen. Er benutzte dazu das Fahrzeug, mit dem die vier Entführer kamen. Vielleicht ist es der Polizei inzwischen gelungen, ihn festzunehmen.«
»Das interessiert mich«, sagte Zamorra. »War der Mann kahlköpfig und besaß eine punktförmige Schädeltätowierung?«
»Ein Punktmuster, ja, Herr«, bestätigte der Chinese. »Er war ein Mongole, aber für einen Mongolen ungewöhnlich hochgewachsen.«
»Wang Lee Chan«, stieß Nicole hervor. »Unser spezieller Freund hat also die Hände im Spiel.«
»Die Welt ist doch klein«, murmelte Zamorra.
»Wie sah das Mädchen aus, das entführt werden sollte?« fragte Tendyke. Mit der Beschreibung, die der Chinese gab, ließ sich allerdings nicht viel anfangen. Die Kleidung, die sie getragen hatte, kannte Tendyke nicht. Er vermutete zwar, daß es sich um Su Ling handeln mochte, aber wenn sie es war, hatte sie sich zumindest kleidungsmäßig stark verändert. Nun, er hatte andererseits auch nicht alles gesehen, was sie in dem Koffer mit sich trug, und vielleicht hatte sie auch unterwegs eingekauft…
»Ich konnte von hier aus alles sehr genau beoachten«, versicherte der Chinese. Aber was aus dem Mädchen geworden war, konnte auch er nicht sagen.
»Gut. Fragen wir bei der Polizei nach«, entschloß sich Zamorra. »Sie haben uns möglicherweise sehr geholfen.«
»Aber ich weiß doch von der Ruinenstadt nichts…«
»Vielleicht hat sie etwas mit diesem Kampf zu tun«, überlegte Zamorra. Er schob dem Mann ein Trinkgeld zu und sah dessen Augen erfreut aufleuchten. Das Trinkgeld war mehr als ein Monatsgehalt in diesem Land der Niedrig-Löhne.
»Gehen wir«, sagte Zamorra. »Vielleicht ist das die Spur, die uns weiter bringt.«
***
Aber dann sah es so aus, als sei die Spur wieder verloren. Die Polizei hatte weder den Schwertkämpfer gefaßt, noch wußte man, wohin sich das Mädchen gewandt hatte, das als Zeugin dringend gesucht wurde. Denn die Aussagen der Menschen, die den blitzschnellen Kampf beobachtet hatten, waren teilweise widersprüchlich. Es war auch alles zu schnell gegangen, als daß jemand eingehende Beobachtungsstudien hätte betreiben können…
Das Bestätigungsschreiben von Kommissar Wu in Peking war immerhin insoweit nützlich, als es die Auskunftsfreudigkeit der Ansi-Beamten steigerte. Aber daß beide Fälle miteinander zu tun hatten, wollten die Beamten absolut nicht glauben.
»Wo befinden die Leichen der vier Männer sich jetzt?« fragte Tendyke plötzlich.
»Sie werden derzeit obduziert«, sagte der Ermittlungsführer.
»Dann möchte ich wissen, ob sie ihre Herzen noch besitzen - oder ob sie überhaupt noch vorhanden sind…«
Drei Kriminalbeamte sahen den Amerikaner an wie einen Geist.
Das Diensttelefon schlug an. Der Ermittlungsführer nahm ab. Zamorra sah, wie er blaß wurde. Dann starrte der Chinese entgeistert Tendyke an. »Woher haben Sie das gewußt?«
»Was?«
»Daß die vier Leichen nicht mehr vorhanden sind? - Sie sind aus der Gerichtsmedizin verschwunden, aus dem Obduktionsraum! Spurlos!«
»Wie in Peking, bloß hatte die Obduktion da schon stattgefunden«, murmelte Zamorra. »Das ist die Parallele. Ich denke, jetzt wird Komissar Wu einsehen müssen, daß wir nicht ganz umsonst hierher geflogen sind. Vielleicht sollte ihn jemand verständigen.«
»Wir machen das«, bot der Ermittlungsführer an. »Es gibt keine Erklärung für das Verschwinden der Leichen?«
»Deshalb sind wir hier. Wir suchen diese Erklärung.«
Aber die Frage nach der Ruinenstadt brachte auch keine weiteren Einzelheiten. Niemand hatte je davon gehört.
»Dann müssen wir also weiter lustig suchen«,
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