0365 - Die Grotte der Saurier
Tür. Nachdem ich den Wagen gewendet hatte und an ihnen vorbeifuhr, sah ich im Licht der weißen Scheinwerferbalken ihre zuckenden Gesichter.
Ich konnte mir vorstellen, wie gern sie mitgefahren wären. Noch lag alles in der Schwebe. Ich selbst drückte mir die Daumen, daß meine Reise in die Niederlande zu keinem Fiasko wurde…
***
Unter dem Berg aus Kalkstein lagen die gewaltigen Höhlen in einem tiefen Schweigen. Niemand hatte sie in der Nacht betreten, und auch die an zahlreichen Stellen im Gestein versteckten Lampen waren abgeschaltet worden, so daß die Dunkelheit einer Weltraumschwärze gleichkam.
Nichts war zu sehen von den Tunnels und Gängen, den Nischen, Kammern und Räumen, den versteckt liegenden Schluchten oder Spalten.
Aber es war nicht still.
Hin und wieder durchbrach ein Geräusch die Finsternis. Zumeist ein hartes Klatschen, das immer dann eintrat, wenn ein von der Decke fallender Wassertropfen in eine Pfütze fiel. Manchmal geriet auch ein Stein in Bewegung, der mit leisen, knirschenden Lauten hangabwärts rollte.
Sonst geschah nichts.
Aber es war die Ruhe vor dem Sturm, denn es gab Leben innerhalb des gewaltigen Labyrinths. Ein Leben, an das die, die davon wußten, nicht mehr erinnert werden wollten, da sie diese Dinge zu den Legenden und Geschichten zählten. Und es war auch niemand da, der etwas davon hätte spüren können.
Es begann mit einem Wispern.
Eine flüsternde Stimme erklang, und deren Schall wurde durch einen tunnelartigen Gang getragen, so daß er das Ohr eines anderen erreichte. »Hörst du mich, Bruder Mercurius?«
»Ja, ich verstehe dich.«
»Wie gut. Merkst du es auch?«
»Was meinst du?«
»Das Kribbeln, Mercurius, das Kribbeln. Ich glaube, in meinen Körper kehrt wieder Leben zurück.«
Mercurius antwortete nicht. Wahrscheinlich konzentrierte er sich ebenfalls, und so dauerte es, bis er eine Antwort geben konnte. »Ja, Uranus, ja. Es ist da, auch bei mir. O, der Teufel hat uns nicht vergessen…«
»Nein, es ist der Würfel.«
»Das ist mir gleich. Wenn ich nur aus diesem mir unendlich erscheinenden Schlaf erwachen kann. Dann bin ich froh, dann ist es herrlich. Ich sehne mich danach.«
»Kannst du dich schon bewegen?«
Mercurius erschrak. »Was verlangst du eigentlich? Ich soll mich bewegen können?«
»Das gehört dazu. Wir werden unsere Gräber verlassen. In die Felsen haben sie uns eingemauert, aber das sollen sie büßen. Wir kommen frei und werden sie vernichten. Die Menschen standen uns nicht als Freunde gegenüber. Das bekommen sie zu spüren.«
»Was willst du tun, Bruder Uranus?«
»Ich sprenge mein Grab!« erklang es dumpf.
Mercurius, der ängstlichere der beiden Mönche, erschrak, als er den Satz hörte. »Du willst es tatsächlich wagen? Sind wir nicht zu schwach dazu?«
»Ich versuche es.«
Der Kontakt zu Mercurius riß ab, und Uranus begab sich daran, die uralte Grabstätte zu verlassen. Er drückte mit den Knochen seiner Schulter gegen die Wand und vernahm ein Geräusch, das die Hoffnung in ihm anfachte.
Das weiche Kalkgestein setzte ihm nicht viel Widerstand entgegen. In seinem Gefüge tat sich etwas, denn dort begann es zu knacken und zu knirschen. Erste Risse entstanden, die größer wurden und sich zu regelrechten Spalten erweiterten.
Auch sie blieben nicht, aber Uranus konnte bereits die feuchte Luft »schmecken«, die durch die Spalten in sein enges Grab drang.
Er wollte raus, verdoppelte seine Bemühungen, die Wand neben ihm bröckelte ab, sie riß, erste Stücke polterten zu Boden, und plötzlich spürte der verräterische Mönch, der sich dem Teufel verschworen hatte, keinen Widerstand mehr.
Er fiel.
Es drang kein Schrei über seine dünnen Lippen. Auch als er aufschlug, war nur der dumpfe Laut zu vernehmen, einen Kommentar oder einen Schmerzlaut gab er nicht ab.
So blieb er liegen. Seine Stirn preßte er gegen die kalte, feuchte Erde, und er spürte ein Gefühl des Triumphs, wie er es noch nie zuvor in den zurückliegenden Jahren erlebt hatte.
Jetzt war er frei!
Und wer wollte ihn, der unter dem Schutz der Hölle stand, jetzt noch stoppen? Damals hatte er gelebt, jetzt lebte er als Toter.
Uranus stemmte sich hoch. Noch waren seine Gelenke steif, er mußte sie erst geschmeidig bekommen. Das schaffte er durch einige aufeinanderfolgende Liegestützen. Zwar hatte sich das Blut in seinen Adern längst zersetzt oder war ganz eingetrocknet, aber für seine Existenz spielte das keine Rolle.
Er lebte auch ohne den
Weitere Kostenlose Bücher