0368 - Samarans Todeswasser
einer Messerklinge eine klaffende Wunde quer durch das Gesicht gezogen.
Erst dicht unter dem Kinn war die Klinge zur Ruhe gekommen und zeigte mit ihrer Spitze auf die Kehle.
Aus der Felsnische drang die zischende Stimme des zweiten Kerls. »Wenn du Dummheiten machst, Bulle, schlitzt mein Freund deinem Partner die Kehle. Und meine Kugel bläst dir das Hirn aus dem Schädel…«
***
Mein Vater hatte so geschrien, und sein Schrei war erst erstickt, als er beide Hände gegen sein Gesicht schlug, in dieser Haltung sitzenblieb und den Kopf schüttelte.
Er wußte einfach nicht mehr weiter. Er konnte einfach nicht fassen, was mit seinem Sohn geschehen war, der als zwergenähnliches Wesen aus der Faust eines Menschen schaute, den man als Bestie ansehen konnte.
Akim Samaran hatte seinen Spaß. Er war wieder einen Schritt zurückgetreten und beobachtete uns beide. »Voll«, sagte er dabei.
»Meine Rache ist voll gelungen. Das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht zu erhoffen gewagt. Du bist im wahrsten Sinne des Wortes in meiner Hand, Geisterjäger. Ich muß meinem großen Freund und Mentor wirklich mehr als dankbar sein, daß er mir das erlaubt hat.«
Auch ich hatte Mühe, die Sprache wieder zu finden. Nicht allein der äußere Druck war es, der mich fertigmachte, auch der innere, der seelische. Gezeugt wurde er durch die heiße Angst, die in mir aufflammte. Auf meinem Rücken lösten sich die heißen und kalten Schauer ab, das konnte auch nicht durch den Druck der Fingerverhindert werden.
Ich hörte meinen Vater schluchzen. Sein Oberkörper war nach vorn gesunken, die Schultern bebten, und wieder einmal erlebte ich schlimme Sekunden in meinem Leben.
Hätte er mich jetzt etwas gefragt, ich hätte ihm keine Antwort geben können. Alles war einfach zu grausam und auch zu unbegreiflich für mich. Auch in meiner Kehle saß ein Kloß, der immer höher steigen wollte.
»Ist das nicht ein hübsches Zusammentreffen?« fragte Akim Samaran. »So führe ich eben auf meine Weise Familien zusammen. Im Prinzip könnt ihr mir dankbar sein. Vater und Sohn sind wieder zusammen.« Nach diesen Worten lachte er meckernd.
Auch mein Vater hatte die Worte vernommen. Die Bewegung, mit der er beide Arme nach unten fallen ließ, wirkte müde, abgespannt und auch abgeschlafft. Auf den Schenkeln ließ er seine Arme liegen und hob den Kopf mit einer schwerfällig wirkenden Geste. Ich sah ihm an, daß er etwas sagen wollte. Er hatte Mühe, die Worte zu formulieren.
»Was sind Sie nur für ein Mensch, Samaran?« fragte er. »Oder sind Sie gar keiner?«
»Doch, ich bin ein Mensch. Nur habe ich mich anders entschieden als ihr. Und zwar für die richtige Seite. Ich will mein Leben so auskosten, wie ich es mir vorgenommen habe, versteht ihr? Der Spuk hat mich geleitet. Er ist die Person, die mir zur Seite steht. Er hilft mir in allen Lebenslagen, und er gibt mir einen genügenden Freiraum für Dinge, die für mich wichtig sind.«
»Was ist das? Das Quälen und Töten von Menschen?«
»Unter anderem«, gab Samaran zu. »Natürlich neben der Macht. Schauen Sie hin, was dort auf dem Tisch steht, das ist ein Würfel. Der berühmte Würfel des Unheils. Ein Faktor der Macht. Durch ihn bin ich in der Lage, die Welt zu verändern. Im Kleinen beginne ich, und im Großen höre ich damit auf, darauf könnt ihr euch verlassen.«
»Was haben Sie mit meinem Sohn vor?«
Samaran antwortete nicht sofort auf die Frage meines Vaters. Er drehte sich um, und ich machte in seiner Faust die Bewegung mit, so daß wir drei schließlich in eine Richtung schauten.
Der Blick glitt über den Würfel hinweg und dorthin, wo die breiten Reagenzgläser standen und zur Hälfte mit einer weißlichblauen Flüssigkeit gefüllt waren.
»Dort«, erklärte Samaran. »Genau dort paßt Ihr Sohn rein. Und Sie auch, Sinclair. Aber Sie können zuschauen, wie ich ihn in die Flüssigkeit stecke, und Sie werden sehen, wie stark meine Magie ist, denn die Flüssigkeit ist etwas Besonderes. Sie wirkt wie Säure, sie löst einen Menschen auf, so daß nur der Kopf übrigbleibt. Er tanzt dann wie ein Korken auf der Oberfläche. Das ist übrigens ein Zeichen, Mr. Sinclair. Ein Markenzeichen von mir, das ich sogar verschickt habe. Und zwar an Ihre liebe Gattin. Sie hat zwei kleine Schädel aus Holz von mir bekommen. Der eine zeigt Ihren Kopf und Ihr Gesicht, der zweite das Ihrer Frau. Können Sie sich vorstellen, wie Sie reagiert hat, als sie die Köpfe aus dem kleinen Päckchen
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