037 - Das Geheimnis der Knochengruft
ich bin Ihnen nicht unbekannt, nicht wahr?
Vielleicht bin ich Ihnen heute Morgen schon einmal begegnet. Da zog ich leider
den Kürzeren.«
Armande de Moulliere schluckte. »Was haben Sie ihr getan?«
»Ich? Nichts. Man hat mich hier gefunden – genauer gesagt, war es die
Polizei. Doch ich war nicht allein. Claudia Pascal lag neben mir. Sie war tot.«
Armande de Moulliere wurde weiß wie ein Bettlaken. »Sie lügen«, stieß er
aufgebracht hervor.
»Ich wollte, es wäre so.« Larry blieb vollkommen ruhig. »Es wäre auch
besser für Sie. Ich glaube, wir sollten uns nichts vormachen. Was geht hier
vor, Monsieur de Moulliere?«
Die Augen des jungen Franzosen wurden riesengroß. »Was ist aus Claudia
geworden? Wo befindet sie sich?« Seine Stimme wurde mit einem Mal kläglich.
»Sie kann nicht lange allein bleiben. Sie braucht regelmäßig ihre Injektionen,
ich ...«
Er ging nicht auf Larrys Bemerkungen ein. Offenbar war er sich der
Tragweite dessen, was der PSA-Agent ihm plausibel zu machen versucht hatte,
nicht bewusst.
»Ihr helfen auch keine Injektionen mehr, begreifen Sie es denn nicht?«
Der Franzose schüttelte den Kopf und machte einen unsicheren,
angsterfüllten Eindruck.
Er hörte kaum zu, als Larry ihm die Einzelheiten schilderte, konnte nicht
verstehen, dass Claudia durch den Dolch eines Mörders umgekommen war. »Wenn das
so ist, wie Sie sagen, beweisen Sie es mir«, sagte er mit matter Stimme. Seine
Blicke waren in eine endlose Ferne gerichtet, und er schien durch Larry Brent
zu sehen.
»Wenn es so ist, dann kann ihm nichts mehr helfen. Er ist besessen! Die
Öffentlichkeit darf nichts erfahren. Aber jetzt wird es sich wohl nicht länger
verbergen lassen.«
»Was?«, fragte Larry lauernd.
»Seine Versuche, die Menschenleben kosteten. Mit Mama begann es. France
Olandy, Irene Duval – sie konnten das Schloss nicht mehr verlassen. Claudia
bildete eine Ausnahme. Er wusste von unserer Liebe. Doch wir mussten uns diese
teuer erkaufen!«
Danach war Armande de Moulliere nicht mehr bereit, nähere Einzelheiten
mitzuteilen. »Wenn Sie ein Recht darauf haben, mehr zu erfahren, dann wird das
geschehen. Aber jetzt noch nicht. Beweisen Sie mir, dass Sie die Wahrheit
gesprochen haben. Führen Sie mich zu Claudia! Ich will sie sehen.«
Larrys Augen wurden schmal. »Wie Sie wollen. Es ist kein erfreulicher
Anblick, der Sie erwartet!«
●
Während der Fahrt zum Leichenschauhaus sprachen die beiden Männer kein
Wort. Larry spielte mehr als einmal mit dem Gedanken, Kontakt zu Morna
Ulbrandson aufzunehmen. Bis zu diesem Augenblick hatte sich die Schwedin noch
nicht gemeldet. Es war ausgemacht, dass sie den ersten Kontaktversuch
unternehmen sollte. Ihn peinigte die Ungewissheit, was mit seiner Kollegin war.
Sie erreichten das Leichenschauhaus. Derselbe Arzt hatte noch Dienst. Dem
Gebäude war ein großer Untersuchungsraum angeschlossen, in dem Medizinstudenten
ihre ersten Erfahrungen bei Untersuchungen am toten Menschen machten. Armande
de Moulliere, der auch chirurgische Kenntnisse besaß, wurde an sein eigenes
Studium erinnert. Er kannte dieses Haus zur Genüge. Und hier, in diesem
unheimlichen Gebäude, sollte nun auch seine Claudia liegen? Er konnte es noch
immer nicht fassen. Je näher er jedoch dem Kühlraum kam, in dem die Leichen
aufbewahrt wurden, desto sicherer wurde seine Gewissheit.
Grausiges Entsetzen packte ihn, als er das sah, was von der Toten
übriggeblieben war. Larry Brent konnte ihn nicht davon abhalten, dass er die
Leiche berührte und schließlich über der Bahre schluchzend zusammenbrach.
»Gehen Sie zurück! Mir schadet es nicht. Während meines Zusammenlebens mit
Claudia stand ich ständig, ebenso wie sie, unter dem Einfluss des Präparates.«
Als würde er den Faden wieder aufnehmen, setzte er seine Ausführungen fort, die
er in der Wohnung der Französin unterbrochen hatte. »Es gibt für mich keinen
Zweifel mehr. Sie hatten recht, Monsieur Brent! Bertrand Roussell tötete
Claudia! Sie war der einzige lebende Beweis dafür, dass etwas im Schloss
vorgeht, was nicht an das Licht der Öffentlichkeit dringen soll. Ich selbst
machte meinen Vater nach Ihrem Eintreffen in der Wohnung von Claudia auf Sie
aufmerksam, Monsieur.« Larry Brent blickte in die trüben Augen des jungen
Franzosen, der nur noch ein Schatten seiner selbst war.
Armande de Moulliere fuhr fort: »Vater versprach, für Abhilfe zu sorgen.
Ich ahnte nicht, wie er es meinte. Er schreckte vor dem Mordbefehl an
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